Der Click ist nicht der Trick
Eine aktuelle Studie von Gilchrist et al. (2021) „The click is not the trick: the efficacy of clickers and other reinforcement methods in training naive dogs to perform new tasks“ hat Fragen und Bedenken bezüglich einiger Aussagen der Studie aufgeworfen.
Aber bevor jemand den Clicker wegwirft oder zu viel in die Studie hineininterpretiert, teile ich gern meine Gedanken dazu. Falls Sie die Studie noch nicht gelesen haben, finden Sie sie hier: https://peerj.com/articles/10881/
Eine gute Studie und keine Überraschung
Lassen Sie es mich zusammenfassen: Das Hauptziel der Studie war es, die Geschwindigkeit zu vergleichen, bei der Hunde ohne Trainingserfahrung neues Verhalten lernen. Getestet wurde unter drei Bedingungen: sofortige Gabe des primären Verstärkers, Markerwort mit folgendem primären Verstärker und Click mit folgendem primären Verstärker. Die Autor:innen gaben unter diesen Bedingungen jeweils 3 Aufgaben vor und konzentrierten sich auf die Lerngeschwindigkeit junger Hunde ohne vorherige Trainingserfahrung.
Die Studie kam zu dem Schluss, dass ein/e erfahrene/r Trainer:in unter den Bedingungen der Studie ein Verhalten, welches nur mit dem primären Verstärker verstärkt wurde, genauso schnell (wenn nicht sogar schneller) trainieren kann, wie wenn das Verhalten mit Clicker gefolgt von einem primären Verstärker verstärkt wurde.
Meiner Meinung nach ist die Studie gut aufgebaut und ich finde sie weder kontrovers noch überraschend. Als Trainer:innen wissen wir, dass sofortige primäre Verstärkung unter den richtigen Bedingungen effektiver sein kann, als einen sekundären Verstärker zu benutzen.
Jedoch wird auch gezeigt, dass die Studie unter den gegebenen Bedingungen in Bezug auf die Schnelligkeit des Lernens keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen der Clickernutzung und der alleinigen Gabe des primären Verstärkers gefunden hat.
Übertreibungen können problematisch sein
Wenn Trainer:innen sehr für ein Thema brennen, kann es schnell passieren, dass sie übertriebene Behauptungen aufstellen, die nicht generell stimmen. Um beispielsweise ihre Ansichten zu vertreten, vereinfachen Trainer:innen manchmal die negativen Auswirkungen von Strafe auf das Lernen, indem sie behaupten, dass „Bestrafung nicht funktioniert“. Solche Verallgemeinerungen können trotz bester Absichten unserer Glaubwürdigkeit schaden.
Die Studie von Gilchrist et al. untersuchte spezifische Behauptungen wie „der Clicker beschleunigt das Training“ oder „mit dem Clicker können neue Verhaltensweisen schneller gelernt werden“. Die Autor:innen konzipierten eine Studie, um die Richtigkeit dieser Arten von Aussagen unter festgelegten Verfahren und Bedingungen zu testen.
Die Überschrift der Studie ist provokant, aber erst mal nur eine Überschrift. Mein Ziel ist es, jede Studie sowohl kritisch als auch aufgeschlossen zu betrachten.
Eine gute Studie regt zum Nachdenken und Neubewerten an
Es ist wichtig, zu wissen, dass gut konzipierte Studien sehr spezifische Fragen stellen. Diese Studie erhebt nicht den Anspruch, jede Frage zum Wert und Zweck des Clickers zu beantworten. Sie untersuchte in erster Linie die Schnelligkeit, mit der untrainierte Hunde ein neues Verhalten innerhalb vorgegebener Parameter lernen.
Wenn neue Forschungen Ergebnisse zeigen, die unserem bisherigen Verständnis entgegenstehen zu scheinen, ist das eine Möglichkeit für uns, Fragen zu stellen und weiterzuforschen.
Diese Studie negiert nicht wirklich, was wir bisher zu wissen meinen. Sie ermutigt uns lediglich, die Verfahren sorgfältig zu prüfen und zu schauen, ob die Studienergebnisse auf unsere Anwendungen übertragbar sind. Die Autor:innen zeigten, dass unter den gegebenen Parametern der Clicker die Lerngeschwindigkeit für das gewünschte Verhalten nicht steigert. Die Autor:innen wiesen auf verschiedene Hypothesen hin, die ihre Schlussfolgerungen erklären könnten. Wie es in der Forschungspraxis üblich ist, wiesen sie auf eine Vielzahl von Gründen hin, die die Studienergebnisse möglicherweise beeinflusst haben könnten. Bei der Bewertung von Forschungsarbeiten warne ich Leser:innen immer davor, nicht mehr in die Daten hineinzuinterpretieren, als tatsächlich präsentiert wird. Es ist wichtig, sowohl kritisch auf die Parameter zu schauen, als auch aufgeschlossen zu bleiben.
Der Gebrauch des Clickers
Es gibt tatsächlich Trainingssituationen, in denen ich mich dafür entscheide, den Clicker nicht einzusetzen. Allgemein gesprochen: Wenn ich den primären Verstärker schnell und im genau richtigen Moment geben kann UND meine anderen gewünschten Ziele erreiche, kann ich den Clicker auch weglassen. Die Studie ändert an dieser Praxis nichts. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass es in den meisten Trainingssituationen ziemlich schwierig ist, den primären Verstärker sofort und zeitlich genau zu geben, um das erforderliche Maß an Präzision zu erreichen.
Ich bin ein starker Verfechter davon, Signale zu benutzen, um Verhalten im Training wahrnehmbar zu machen. Die Benutzung des Clickers (oder anderer eindeutiger Signale) halte ich aus verschiedenen Gründen für sehr sinnvoll. Die Schnelligkeit, ein Verhalten zu erlernen (wie in der Studie von Gilchrist et al.), war nie ein Hauptgrund.
Nach meinen persönlichen Erfahrungen scheint es zu stimmen, dass Tiere schneller lernen, wenn ein Clicker verwendet wird – aber Studien wie diese helfen mir, diesen wahrgenommenen Vorteil kritischer zu betrachten.
Unter den Studienbedingungen scheint Verhalten durch den Clicker weder schneller noch langsamer gelernt zu werden. Unter anderen Bedingungen (komplexeres Verhalten, ältere bzw. erfahrenere Hunde, andere Tierarten und andere weiter unten diskutierte Gründe), kann der Clicker dennoch hilfreich sein, um das Lernen zu beschleunigen. All das sind interessante Überlegungen, die weitere Untersuchungen erfordern.
Trainingsbedingungen (unabhängig von dieser Studie)
Es gibt viele Situationen, in denen ich den Clicker hilfreich finde, und ich würde mich über Forschungen dazu freuen. Einige davon sind:
Arbeiten auf Distanz
Die Studie von Gilchrist et al. versuchte Auswirkungen bei der Arbeit auf Distanz zu untersuchen, aber sie trainierten nur in einem einzigen Raum, in dem die größte Distanz ca. 6 Meter waren. Für mich sind die Vorteile des Clickers beim Arbeiten auf Distanz vor allem dann deutlich, wenn das Tier außer Sicht trainiert wird und somit seine/n Trainer:in nicht sehen kann. Der Clicker (oder ein anderes Markersignal) ermöglicht es dem/der Trainer:in, dem Tier das Zielverhalten präzise mitzuteilen. Dabei kann der Clicker/Marker gleichzeitig als sekundärer Verstärker dienen und als Signal, um zurückzukommen und die primäre Verstärkung zu erhalten.
Verhaltenswiederholungen oder Dauer
Ich bringe Tieren oft bei, ein Verhalten mehrfach zu wiederholen. Der Clicker sagt ihnen dabei, wann sie aufhören können, um sich ihren Verstärker abzuholen. Beispiele dafür sind das Bellen auf Signal, bis der Hund den Click hört. Oder Verhalten aus dem Tierarzttraining (das Tier soll für eine medizinische Untersuchung eine Position einnehmen, deren Dauer unterschiedlich lang ist und bei der es mich eventuell nicht sehen kann, aber das Verhalten weiter zeigen soll, bis es den Click hört) oder im Delfintraining (als ich mit Delfinen gearbeitet habe, sollten sie immer wieder Luftsprünge machen, bis sie das Signal bekamen, aufzuhören und sich ihren Verstärker bei mir abzuholen).
Obwohl die Studie von Gilchrist et al. auch die Dauer eines einfachen Verhaltens untersuchte, konnte der/die Trainer:in den Verstärker sofort am Ende des erwünschten Verhaltens geben, was in vielen der von mir beschriebenen Szenarien nicht möglich wäre.
Genauigkeit bei komplexen Verhaltensweisen
Die Studie untersuchte eine bestimmte Art von Genauigkeit, erforschte aber einige der komplizierteren Möglichkeiten nicht, bei denen der Clicker für bestimmte komplexe Zusammenhänge nützlich ist. Bei Filmdrehs beispielsweise mussten wir oft Details ändern, nachdem der Regisseur das Verhalten durch die Kamera sah. Es war oft herausfordernd, das Verhalten direkt am Set umzuformen ohne die Möglichkeit, es erst einmal in Ruhe zu trainieren. Ich habe mit Hunden gearbeitet, die Richtungssignale wie rechts, links, oben und unten gelernt haben. Der Clicker wurde dabei genutzt, ihnen genau mitzuteilen, wohin ihr Kopf zeigen sollte. Diese Genauigkeit war für den Dreh entscheidend und ich fand, dass der Clicker eine sehr effiziente Möglichkeit war, diese schnell zu erreichen.
Konsistenz
Wenn mehrere Menschen mit demselben Tier trainieren, ist es für das Tier sehr hilfreich, wenn die Menschen ein konsistentes und zusammenhängendes Kommunikationssystem benutzen. Ich habe viele Jahre in Zoos gearbeitet und wirkliche Vorteile solcher konsistenten Systeme gesehen. Mit dem Clicker gibt es nicht die Probleme verschiedener Betonungen oder ungenauer körpersprachlicher Signale. Ebenso wie die Pfeife hat er für das Tier immer dieselbe Bedeutung, egal wer trainiert.
Kontiguität zwischen Verhalten und Verstärkung
Viele Trainierende haben Schwierigkeiten, den Verstärker wirklich im richtigen Moment zu geben. Meiner Erfahrung nach hilft der Clicker hier, den Verstärker mit dem Verhalten in Verbindung zu halten, während die Trainierenden ihre Fähigkeiten weiter verbessern.
Hilfsmittel
Der Clicker ist ein nützliches Werkzeug, um neuen Trainer:innen die Bedeutung von Timing und Kriterien zu vermitteln. Als Lehrer habe ich festgestellt, wie sehr die Verwendung des Clickers auch ihnen hilft, sich auf die Kriterien zu konzentrieren und auf die Bewegungen des Tieres zu achten, um den richtigen Zeitpunkt der Verstärkung zu bestimmen. Als Berater und Lehrer von Trainierenden habe ich festgestellt, dass ich ihr Timing und ihre Kriterien besser beurteilen kann, wenn sie einen Clicker benutzen.
Weitere Punkte der Studie Es gibt noch viel mehr Aspekte dieser Studie, die erwähnenswert sind. Die Autor:innen weisen richtigerweise darauf hin, dass die Verwendung von Begriffen wie „Marker“ und „Brückensignal“ verwirrend sein kann. Obwohl es wissenschaftliche Definitionen dafür gibt, die nicht gleichbedeutend sind mit denen eines sekundären Verstärkers, nutzen wir in der Trainer:innengemeinschaft alle drei Begriffe oft synonym. Das ist ein Thema, das an anderer Stelle untersucht gehört.
In der Studie gab es zudem nur eine Trainerin für alle Versuche. Das ist zwar sinnvoll, um Fehler durch die unterschiedlichen Fähigkeiten verschiedener Trainer:innen auszuschließen, aber die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Trainer:innen ist dadurch eingeschränkt.
Außerdem waren die Versuche nicht verblindet (was bedeutet, dass die Trainerin wusste, was untersucht wurde).
Das könnte die Ergebnisse beeinflusst haben. Wie bei jeder Forschungsfrage wären Wiederholungen der Studie sehr hilfreich.
Was bedeutet das jetzt alles?
Fazit: Gilchrist et al. lieferten eine solide Studie, die sowohl zu unserem Verständnis eines (wie wir es nennen) Markers beiträgt als auch weitere Fragen aufdeckt, wie es jede gute Studie sollte.
Die Studie stimmt mit meinem Verständnis sowohl der Wissenschaft als auch der soliden Trainingspraxis überein – dass unter sehr spezifischen Trainingsumständen die alleinige Gabe des primären Verstärkers genauso effektiv sein kann wie die Nutzung eines sekundären Verstärkers gefolgt vom primären Verstärker. Sie sagt nichts aus über die vielen Trainingsziele und Trainingskontexte, bei denen, meiner Erfahrung nach, die Nutzung eines Clickers signifikante Vorteile bietet. Weitere Studien wären schön, die genauer auf diese Vorteile abzielen.
Vielleicht ist der Titel der Studie ein wenig provokativ und scheint Clickerkritiker:innen nützlich. Das ist bedauerlich, weil sie grundsätzlich mit unseren Trainingspraktiken und wissenschaftlichen Prinzipien der positiven Verstärkung im Einklang steht. Der Marker war niemals „der Trick“, sondern ein wirklich nützlicher Bestandteil unseres Trainingsprozesses.
Es ist wichtig, dass wir die kritische wissenschaftliche Bewertung dessen, was wir als Trainer:innen täglich in die Praxis umsetzen, annehmen. Auch müssen wir unser Training ständig neu ausrichten, wenn es effektivere und ethisch bessere Möglichkeiten gibt, die gewünschten Trainingsziele zu erreichen.
Training ist solch ein wunderbarer Prozess; ein Prozess, von dem wir wissen, dass er den Tieren hilft, die wir betreuen. Es ist wichtig, dass wir uns weiterentwickeln und sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Praxis lernen.
Viel Spaß beim Trainieren,
Ken