Kleine Hunde sind anders?!
Hundehalter:innen von kleinen Hunden kennen die gängigen Vorurteile: kleine Hunde sind nie erzogen, sind Kläffer oder können nichts. Ist das so? Welche Vor- und Nachteile haben kleine Hunde? Haben kleine Hunde andere Bedürfnisse als große? Chris Mann berichtet aus eigener Sicht und als Trainerin, was bei kleinen Hunden tatsächlich anders ist.
Kleine Hunde werden häufiger toleriert als große
Ich fahre nie ohne meinen Hund in Urlaub und so ist die Suche nach einer Unterkunft häufig von den Sätzen „nur kleine Hunde“ oder „Hunde nur nach Absprache“ eine wiederkehrende Aussage. Doch ab wann zählt ein Hund als „klein“? Von kleinen Hunden spricht man in der Regel bei Hunden mit einer Schulterhöhe von bis zu 40 cm und einem Gewicht bis 15 kg. Ein kleiner Hund wird eher in Restaurants, Hotels und Ferienwohnungen toleriert als ein großer Hund. Scheinbar machen kleine Hunde nicht so viel Dreck oder sind kleine Hunde doch generell unauffälliger? Das habe ich tatsächlich noch nie bei den Vermieter:innen hinterfragt, werde ich bei der nächsten Buchung aber definitiv tun.
Die Kosten sind geringer
Die Kosten für das Futter und den allgemeinen Lebensunterhalt sind für kleine Hunde etwas günstiger. So sind die Kosten im Krankheitsfalle geringer, da die Präparate des Tierarztes, z. B. Spezialnahrung oder Medizin, nach Gewicht berechnet werden. Das ist für den Geldbeutel eher zu stemmen als vielleicht für einen 35-kg-Hund. Dafür gibt es für den kleinen Hund nicht immer passende Geschirre oder Maulkörbe zu kaufen, da es sich oft nicht um eine Standardgröße handelt. Allerdings bietet hier das Internet schon recht viel Auswahl. Auch hat sich die Auswahl farblich verändert, da nicht mehr alles rosa und glitzernd ist. Für alle Hunde gilt: Die Geschirre, Halsbänder und Mäntel sollten unabhängig von der Größe des Hundes gut sitzen. Die Suche nach dem passenden Outfit kann also etwas länger dauern.
Frieren kleine Hunde schneller als große?
Mein persönliches Empfinden ist: Ich kann dem nicht beipflichten. Hat der kleine Hund dichtes Fell mit Unterwolle und fühlt sich bei kühlen Temperaturen weiterhin wohl, braucht es keinen Mantel. Häufiger ist mir in den letzten Jahren als Trainerin jedoch aufgefallen, dass viele kleine Hunde nicht so gerne bei Regen unterwegs sind. Vielleicht sind sie durch die niedrige Körperhöhe schneller ausgekühlt und eben schneller nass. Meine Hündin ist nackt am Bauch und hat kaum Unterwolle, sie friert recht schnell. Sie hat also auch eine passende Garderobe für jedes Wetter. Dafür werden wir auch schon mal belächelt, das erkläre ich dann aber jedem, der fragt, sehr gerne.
Sind kleine Hunde einfacher zu führen?
Die kleinen Rassen und deren Mischlinge werden häufig als sogenannte Gesellschaftshunde angeschafft. Bei diesen Gesellschaftshunden steht nicht die Arbeitsleistung im Vordergrund, sondern diese Hunde sollen dem Menschen in erster Linie ein treuer Begleiter sein. Ein Gesellschaftshund soll unauffällig und wenig anspruchsvoll, anhänglich und treu sein, eben der perfekte Familienhund. Bedenkt man aber, dass zu den kleinen Rassen auch Arbeitshunde wie zum Beispiel der Terrier und der Dackel zählen, findet man dort oft ziemlich kernige, äußerst selbstbewusste kleine Hunde, deren Haltung durchaus anspruchsvoll sein kann.
Bellen kleine Hunde häufiger?
Kleine Rassen gelten als bellfreudig. Nicht von ungefähr kommt die Aussage, es seien Kläffer! Lautstarkes, anhaltendes Bellen bei kleinen Rassen/Mischlingen passiert deutlich schneller. Das kommt zum Teil daher, dass es eine genetische Disposition gibt, deren Grundlagen aus dem jagdlichen Bereich oder auch bei den Wächtern (z. B. Spitze) zu finden sind. Weiterhin sind kleine Hunde über viele Generationen aufgrund ihrer schnellen, flinken Art schnell und leicht in Aufregung zu versetzen, was sich durchaus in überm..igem Bellen darstellen kann.
Sind kleine Hunde ungefährlicher?
Häufig führt die Niedlichkeit kleiner Hunde dazu, dass sie nicht ernst genommen werden. Dadurch beginnen die Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Hund und Mensch. Ein kleiner Hund, der knurrt, wirkt häufig nicht so bedrohlich wie ein großer Hund, obwohl er genau dasselbe mitteilen möchte. Auch kleine Hunde können sehr genau kommunizieren, häufig wird es nur leider nicht erkannt. Vielleicht weil ein kleines Blitzen des Eckzahns nicht gut sichtbar ist? Während man auf das Knurren eines großen Hundes eher reagiert, wird der kleine Hund oft ignoriert oder belächelt und er wird weiter bedrängt, angefasst oder hochgehoben. Hilft das Knurren allein nicht, wird dann auch ein kleiner Hund beißen und trägt zum Rufe des „Wadenbeißers“ bei.
Andere Prioritäten im Training
Sicherlich verschieben sich die Prioritäten des Trainings bei kleinen Hunden. Alleine schon wegen des Kräfteverhältnisses zwischen Mensch und Hund. Mein Fokus lag im ersten Jahr mit meiner kleinen Hündin nicht auf der Leinenführigkeit. Wir hatten viele andere Baustellen. Bei einem größeren Hund mit mehr Gewicht hätte das sicher anders ausgesehen. Dennoch bin ich auch bei kleinen Hunden für eine gute Erziehung.
Futterbelohnungen
Futterbelohnungen sollten entsprechend minimalistisch sein, damit der kleine Hund nicht nach wenigen Wiederholungen pappsatt ist. Geeignete Futterbelohnungen können Futter- oder Schlecktuben sein. Auf dem Markt gibt es etliche weiche Bröckchen, die man zusätzlich noch kleiner bröseln/schneiden kann. Das Geben der Futterbelohnung muss ich dann entsprechend üben, um auf den Hund nicht mit übergebeugtem Körper bedrohlich zu wirken. Genauso möchte ich keinen Hund, der dem Leckerchen entgegenspringt, sondern mit allen vier Fü.en auf dem Boden bleibt. Ich sage meinen Kunden immer gerne scherzhaft „Bauch-Beine-Po-Übung“, also in die Knie gehen, um dem Hund das Futterbröckchen zu reichen, statt vorn übergebeugt über dem Hund zu hängen.
Kleine Hunde haben eine völlig andere Perspektive als große Hunde oder ihr Mensch. Foto: Christine AppelKörperliche Unterschiede
Die richtige Herangehensweise hängt also auch von der Größe ab und muss individuell beachtet werden. Das gilt im Übrigen für jedes Tier, mit dem wir als Mensch zusammenleben. Respekt und gegenseitiges Vertrauen sollte jedem Hund (Tier!) zugestanden werden, mit dem gearbeitet wird.
Das Handling kleiner Hunde
Hat sich ein Hund Verletzungen zugezogen, kann der kleine Hund besser auf den Arm genommen und getragen werden. Jedoch sind gerade die kleinen Hunde häufig wuselig und sehr wendig. Und nur weil ein kleiner Hund körperlich eher getragen werden kann, ist nicht gesagt, dass dieser das möchte bzw. zulässt.
Ein Hochheben vom Boden über die Leine am Halsband/Geschirr sieht man leider auch immer wieder. Gerade bei Kleinsthunden sollte dies tunlichst vermieden werden. Erstens ist es für den Hund besonders an Kopf und Wirbelsäule unangenehm und hat ein hohes Ver-letzungspotenzial. Zweitens könnte der Hund auch aus dem Halsband herausfallen, was wiederum zu Verletzungen oder schlimmen Verknüpfungen mit der Situation führen kann. Nur weil der Hund sehr wenig wiegt, darf ich ihn nicht behandeln, als wäre er ein Gegenstand, den ich gerade mal so vom Boden lupfe. Hochheben bzw. das Anfassen generell sollte nicht ohne vorherige Ankündigung stattfinden und sollte natürlich auch trainiert werden.
Kleine Hunde werden bei mir in der Hundeschule vorstellig, weil sie eingeschüchtert und vorsichtiger sind, ein gewisses handscheues Verhalten auftritt oder sie aber zu kleinen Schnappern mutieren und sich nicht gerne anfassen lassen. Häufig resultiert das Verhalten aus der oben beschriebenen übergriffigen Handhabung der Hunde. Unsere Körpergröße zu den kleinen Hunden gleicht den Figuren (Riesen, Zwerge) aus dem Märchen von Gullivers Reisen.
Können kleine Hunde schlechter laufen?
Manchmal werden kleine Hunde herumgetragen und man fragt sich: Warum macht man das? Eventuell war es notwendig, den Hund zu tragen, auch das sollte man erst mal nicht verteufeln. Sicher haben auch kleine Hunde in der Regel vier Beine und können gut mithalten und auch viele Kilometer laufen. Getragenwerden kann durchaus ein Sicherheits bzw. Entspannungssignal sein. Vielleicht war der Hund erschöpft. Untergründe mit großen Unebenheiten oder hohem Gras sowie unebene Strecken sind für die kürzeren Beine möglicherweise anstrengender. Oder der kleine Hund empfindet es als unangenehm, wenn ihm das Gras am Bauch kitzelt.
Kleine Hunde können genauso verrückt sein wie die großen Vierbeiner. Foto: Steffi Nierhoff
Der richtige Umgang für Kleinhunde
Bereits im Welpenalter sollte ein Spiel mit Artgenossen entweder gleichen Gewichts oder ähnlicher Größe stattfinden. Natürlich müssen die Kleinen auch größere Hunde kennenlernen. Dies sollte jedoch vielleicht nicht im Spiel passieren, sofern ich nicht einschätzen kann, wie der große Hund mit dem Kleinen umgeht. Es gibt große und sanfte Hunde, aber auch welche, die den Minihund als Beute ansehen und entsprechend Hetzen oder ein Schnappen zeigen können. Ich würde penibel darauf achten, dass der kleine Hund nicht gejagt oder überlaufen wird. Es gilt auch immer, den kleinen Hund in Schutz zu nehmen und ihm dieses Angebot nicht zu verwehren. Dazu kann ich mich in die Hocke begeben und den Hund zwischen meinen Schenkeln schützen. Die Kleinen sind in der Regel schon meist recht taffe Kerlchen und sind eben vollwertige Hunde. Allerdings ist die Verletzungsgefahr durch die geringe Körpergröße einfach zu hoch.
Warum ich einen Kleinhund habe
Ich wollte einen kleineren Hund, damit ich den Hund unter allen Umständen im Notfall händeln kann, ohne dass ich viel Kraft aufwenden muss. Ebenso darf mein Hund aufs Sofa und ins Bett und da nimmt so ein kleines 7-kg-Fellkind schon ziemlich viel Platz und Raum ein. Jede/r Hundehalter:in sollte sich fragen, ob er/sie genügend Ausdauer und Zeit in Ausbildung und Haltung eines Hundes stecken möchte. Und was er/sie tatsächlich körperlich aushalten kann und will. Ich war schon häufiger froh darüber, dass meine kleine Emma, liebevoll auch „Gremlin“ genannt, nur 7 kg wiegt.
Mein Fazit: Der perfekte Hund ist nicht an Fell/Farbe und Größe auszumachen, sondern ganz allein, wie sehr er unser Herz berührt.