Hundebegegnungen - Was Hunde sich zu sagen haben
Als Hundehalter:in für dich bestimmt kein unbekanntes Problem: Wenn sich zwei Hunde, die sich noch nicht kennen, auf der Spazierrunde treffen, dann verläuft das sehr unterschiedlich. Was sie sich zu sagen haben und woran du das erkennst, beschreibt Christiane Jacobs.
Vielleicht hast du einen Hund, der überhaupt keine Probleme mit Artgenossen hat, aber trotzdem immer mal wieder angebellt wird. Oder du hast einen Hund, der selbst bellend in die Leine springt, sobald sich ein Hund annähert oder auch nur am Horizont auftaucht.
Da stellt sich die Frage, woran das eigentlich liegt und ob du als Hundehalter:in die Möglichkeit hast, schon im Vorfeld zu erkennen, wie der Kontakt zwischen den Hunden wohl ausgehen wird. Die gute Nachricht gleich vorweg: Diese Möglichkeit hast du!
Schau auf die Körpersprache
Wenn du dir die Körpersprache der beteiligten Hunde genauer anschaust, kannst du viele Hinweise darauf entdecken, ob es eine entspannte oder eine eher angespannte Begegnung wird. Es gibt so genannte „Schlagzeilen“, die dir sehr schnell Rückschlüsse ermöglichen und es gibt die eher „leiseren Töne“, die feinen Signale, die aber genauso wichtig sind, um die Befindlichkeiten und Motivationen der beiden Hunde abschätzen zu können. Lass uns jetzt mal auf beide einen Blick werfen.
Schlagzeile 1: Der Blickkontakt
Hunde kommunizieren bereits auf große Distanz über den Austausch von Blicken. Die Dauer eines Blickkontaktes gibt dir eine Menge Informationen darüber, wie die Hunde gestimmt sind und wie die Begegnung wohl weiterlaufen wird. Entscheidend ist, wie lange der Blickkontakt anhält, ob überhaupt ein Blickkontakt zustande kommt und ob die Hunde diesen Blickkontakt unterbrechen.
Ein Blick, der länger als zwei Sekunden andauert, wirkt sehr schnell bedrohlich auf den anderen Hund und für beide Hunde wird es von Sekunde zu Sekunde schwieriger, sich abzuwenden, wodurch die Anspannung ansteigt und eine entspannte Begegnung unwahrscheinlicher wird.
Ein direkter Blickkontakt möchte oftmals dem anderen mitteilen, dass man mehr Distanz braucht – der andere also bitte nicht näher kommen bzw. weggehen soll. Häufig kann man beobachten, dass Hunde nach einem längeren Blick vom Gegenüber auslösen und zum Beispiel bellend nach vorne gehen.
Im Direktkontakt reicht ein kurzer Blick oft aus, um den anderen Hund auf Abstand zu bringen beziehungsweise ihn in einer weiteren Annäherung zu stoppen.
Schaut ein Hund gar nicht zum entgegenkommenden Hund, kann das ein Zeichen dafür sein, dass er keinen Kontakt möchte. Es kann aber natürlich auch sein, dass er den anderen Hund noch nicht wahrgenommen hat.
Eine freundliche Annäherung entsteht, wenn die Hunde sich kurz anschauen, dann wieder wegschauen, mal kurz irgendwo schnüffeln, wieder hinschauen, wegschauen und sich dabei langsam und im Bogen annähern.
Fazit: Schauen sich die Hunde länger als zwei Sekunden direkt an oder kann einer der Hunde den Blick nicht abwenden, dann ist ein Direktkontakt eher ungünstig, weil zumindest einer der Hunde mitteilt, dass er diesen Kontakt so nicht möchte und sehr wahrscheinlich angespannt in die Begegnung gehen würde.
Schlagzeile 2: Ausrichtung der Körperachsen
Wenn Hunde sich begegnen, können sie das auf ganz unterschiedliche Weise tun. Schon in großem Abstand kannst du sehen, wie sie ihre Körperachse mehr oder weniger auf den anderen Hund ausrichten und damit entscheidend beeinflussen, wie die Begegnung sich entwickelt.
Für uns Menschen ist die Ausrichtung der Körperachsen super zu beobachten, weil wir sie aus fast jeder Position und auch bei jedem Hund – egal welcher Rasse, ob groß oder klein – gut erkennen können.
Die schwierigste und konfliktreichste Annäherung ist die, bei der die Hunde frontal ausgerichtet aufeinander zulaufen. Das ist deswegen so schwierig, weil diese Annäherung sehr bedrohlich auf das Gegenüber wirkt und es zusätzlich noch sehr schnell zu einem direkten Blickkontakt kommt.
Wichtig in dem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass wir Menschen unsere Hunde sehr oft so in angeleinten Situationen aufeinander zuführen – quasi einen Konflikt heraufbeschwören und es unseren Hunden dadurch unnötig schwer machen.
Es müssen aber gar nicht beide Hunde frontal aufeinander ausgerichtet sein. Es reicht schon, wenn nur ein Hund sich frontal ausrichtet – das heißt, er stellt sich pfeilgerade in Richtung anderer Hund. Wenn du dir den Hund als Pfeil vorstellst, dann ist dieser Pfeil vollständig auf das Gegenüber gerichtet. Damit zeigt der Hund, dass er mehr Distanz braucht und die Annäherung stoppen möchte.
Laufen die Hunde frontal versetzt aufeinander zu, gibt es Hunde, die das entspannt meistern, andere tun sich damit etwas schwerer. Da musst du dir dann die gesamte Körpersprache anschauen, um zu entscheiden, ob eine direkte Begegnung Sinn ergibt.
Laufen die Hunde in einem Bogen aufeinander zu, dann ist dies ein Zeichen für eine entspannte, freundliche Begegnung. Das geht auch an der Leine, wenn wir Menschen es den Hunden ermöglichen, ein Stück auszuweichen.
Fazit: Frontale Ausrichtung ist ungünstig, im Bogen stattfindende Annäherung spricht für eine entspannte Begegnung.
Schlagzeile 3: Annäherungsgeschwindigkeit und -art
Auch die Geschwindigkeit, mit der die Hunde aufeinander zulaufen, gibt dir viele Hinweise darauf, ob beide Hunde entspannt und an einer freundlichen Kontaktaufnahme interessiert sind.
Rennt mindestens einer der beiden in sehr hoher Geschwindigkeit, kerzengerade und frontal auf den anderen Hund zu, dann wirkt das bedrohlich. Und ist in aller Regel auch so gemeint. Genauso bedrohlich ist es, wenn der Hund seine Geschwindigkeit deutlich verringert und sich anschleicht, heranpirscht sozusagen. Dabei ist die Körperachse meist frontal auf den anderen Hund ausgerichtet, der Kopf wird auf die Höhe der Rückenlinie abgesenkt und auch die Rute wird in vielen Fällen in Verlängerung der Rückenlinie gerade nach hinten getragen. Der Hund wirkt wie ein Pfeil, der auf den anderen ausgerichtet ist. Oftmals legen sich diese Hunde auch hin, stoppen also in ihrer Annäherung und springen dann auf, wenn der andere Hund schon sehr nahe herangekommen ist.
Dieses sogenannte Lauern hat seinen Ursprung im Jagdverhalten. Es wird aber auch in Hundebegegnungen gezeigt, wenn die Annäherung nicht gewünscht ist oder verändert werden soll. Für den entgegenkommenden Hund fühlt sich das definitiv nicht gut an und seine Anspannung steigt.
Ein sehr staksiger Gang, meist mit durchgedrückten Beinen, weist auf eine hohe Anspannung im Hund hin. Da können Unsicherheit und Angst im Hintergrund eine Rolle spielen, aber vor allem zeigt es dir, dass der Hund sehr angespannt ist und daher eine entspannte Begegnung eher unwahrscheinlich ist.
Wenn man in der Annäherung ein Einfrieren (Freeze) beobachtet, das heißt, der Hund bleibt ganz kurz oder auch länger regungslos stehen, dann hat dieser Hund ein Problem mit der Begegnung.
Freeze läuft automatisch ab und ist eine Reaktion des Gehirns auf eine Bedrohung. Es ist eine von vier Möglichkeiten (in Fachkreisen spricht man von den 4 Fs), die es in diesen Momenten gibt. Beim Freeze kann das Gehirn sich in diesem Moment nicht „entscheiden“, welches nun die richtige Handlung ist: Weggehen (flight), Angreifen/Vertreiben (fight) oder Herumkaspern (fiddle about/flirt). Durch dieses Nicht-entscheiden-Können entsteht im Gehirn des Hundes eine Blockade, die in dem Moment zur Handlungsunfähigkeit führt. Wie es weitergeht, ist völlig unvorhersehbar und alles ist möglich. Ein direkter Kontakt ist aufgrund der hohen Anspannung aber ungünstig.
Es gibt natürlich auch Anzeichen für eine entspannte Annäherung. Dabei laufen die Hunde in der Regel locker und kurvig im Körper aufeinander zu. Wie oben schon beschrieben in
einem Bogen, der Blick wird immer mal abgewendet, es wird vielleicht irgendwo geschnüffelt und auch mal eine Urinmarke abgesetzt. Man sieht kein Stocken in den Bewegungen, diese sind fließend und weich.
Fazit: Alles, was von der normalen Laufgeschwindigkeit abweicht, deutet meist auf Anspannung hin und macht dementsprechend einen entspannten Kontakt eher schwierig.
Normale Geschwindigkeit und weiche Bewegungen deuten auf eine entspannte Annäherung und damit auch auf einen entspannten Direktkontakt hin.
Das waren die drei wichtigsten Schlagzeilen in einer Annäherung! Sie geben dir im ersten Schritt die wichtigsten Informationen.
Eine Checkliste kann helfen
Ich für mich und meinen Hund habe eine ganz persönliche Checkliste angelegt, nach der ich schon sehr früh entscheide, ob ich einen Direktkontakt zulassen möchte oder lieber großzügig ausweiche und dem Gegenüber signalisiere, dass wir keinen Kontakt möchten:
KEIN Kontakt:
- Einer oder beide Hunde läuft frontal auf den anderen zu
- Direkter Blickkontakt von einem oder beiden Hunden
- In der Annäherungsgeschwindigkeit gibt es Hinweise auf ein Problem (lauern, einfrieren, gerade und schnell drauf zulaufen…)
- Ich sehe bei mindestens einem Hund Anzeichen von Anspannung oder Stress
Kontakt möglich:
- Beide Hunde sind weich und fließend in den Bewegungen
- Sie laufen in einem Bogen oder versetzt aufeinander zu
- Beide Hunde wenden den Blick zwischendurch ab
Hinweis: Selbst wenn alle Zeichen auf eine entspannte Begegnung hindeuten, kann es im Direktkontakt kippen. Deswegen sei immer aufmerksam, wenn dein Hund in eine Interaktion mit einem (fremden) Hund geht!
Feine Signale dürfen nicht ignoriert werden
Neben den drei großen Schlagzeilen gibt es noch die bereits erwähnten kleinen Signale, die es lohnt, anzuschauen. Hier die drei wichtigsten:
Stressanzeichen
Siehst du bei einem Hund deutliche Stressanzeichen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund die Begegnung nicht entspannt meistert, groß. Das kennst du von dir selbst, wenn die Nerven angespannt sind, reagiert man oft über und kann auch nicht so gut auf den anderen eingehen beziehungsweise angemessen auf dessen Wünsche reagieren.
Stressanzeichen sind sehr vielfältig, gut beobachten kannst du aber: hohe Körperspannung (dadurch ein staksiger Gang), fiepsen, winseln, sich kratzen, aufgestellte Rückenhaare, sich schütteln, niesen, Lippenlecken, im Direktkontakt auch aufreiten.
Die Ohrenhaltung
An der Ohrenhaltung der Hunde kannst du die aktuelle Befindlichkeit und Motivation ablesen. Vor allem die Veränderungen geben dir wichtige Hinweise darüber, was die Hunde als nächstes tun werden. Hier ein grober Überblick über die Informationen, die dir die Ohrenhaltungen in Begegnungen geben:
Nach vorne / oben gerichtete Ohren deuten eine Vorwärtsbewegung an. Kommen weitere Körpersignale hinzu, kann die Ohrenhaltung auch drohend gemeint sein mit dem Ziel, die Annäherung des Gegenübers zu stoppen. Aber auch bei Neugierde sind die Ohren vorne / oben.
Neutral gehaltene Ohren drücken Entspannung aus – für den Hund ist gerade alles okay und er fühlt sich wohl.
Sind die Ohren nach hinten / oben gezogen, hat der Hund oft Stress in der Begegnung. Meist sieht man dann auch ruckartige, zackige Bewegungen der Ohren.
Nähert der Hund sich einem anderen Hund freundlich an, dann legt er die Ohren nach hinten / unten. Fühlt er sich in der Annäherung unsicher, sieht das sehr ähnlich aus, und auch bei Angst zieht er die Ohren nach hinten/unten. Daher ist es wichtig, sich die Gesamtsituation und das komplette Ausdrucksverhalten des Hundes anzuschauen.
Zu erwähnen ist noch, dass die Hunde über die Ohren nicht nur kommunizieren, sondern natürlich auch hören. Deswegen solltest du im Hinterkopf behalten, dass jede Ohrstellung gegebenenfalls auch dem Wahrnehmen von akustischen Reizen dient und in dem Moment für dich keine Hinweise zum Hundekontakt liefert.
Die Rutenhaltung
Je nach Rasse unserer Hunde gibt es unzählige Varianten der Rutenhaltung. Einige Rassen tragen die Rute physisch bedingt gekringelt, hoch erhoben oder auch abgesenkt. Ganz wichtig beim Beobachten der Rutenhaltung ist als Erstes, dass du für deinen Hund herausfindest, wie er seine Rute trägt, wenn er entspannt ist. Veränderungen der Rutenhaltung geben dir dann Aufschluss über mögliche Emotionen in deinem Hund und darüber, was er wohl als Nächstes machen könnte.
Bei der angehobenen Rute ist die Analregion des Hundes frei und es können so Informationen an das Gegenüber abgegeben werden. Hebt der Hund in einer Begegnung also die Rute an, um den anderen Hund schnüffeln zu lassen, ist das eine freundliche Geste. Achtung: Hebt er sie an und es gibt entsprechende weitere körpersprachliche Details wie einen direkten Blickkontakt, dann kann es auch als Drohung gemeint sein.
Wird die Rute in Begegnungen abgesenkt, wird die Analregion mehr oder weniger bedeckt und gibt wenig bis gar keine Informationen an das Gegenüber frei. Das signalisiert „Unterlegenheit“ und deutet auf eine soziale Unsicherheit mit anderen Hunden hin.
In diesem Zusammenhang sieht man aber auch Hunde, die ihre Rute oben tragen, sich dem Beschnüffeln der Analregion trotzdem entziehen, indem sie ihr Hinterteil immer vom anderen Hund wegdrehen und diesen so nicht an ihre Analregion kommen lassen.
Auch bei ängstlicher Erregung wird die Rute oft abgesenkt. Wird sie eingekniffen – zum Teil bis weiter unter den Bauch – dann deutet das auf mehr oder weniger starke Angst hin.
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Rute, die sich nach hinten / unten bewegt, den Wunsch nach Abstand kommuniziert.
Beobachte deinen Hund
Es gibt in Hundebegegnungen natürlich noch viel mehr zu sehen.
Es ist normal, dass du gerade zu Anfang nicht alles auf einmal wahrnehmen kannst. Nimm dir einzelne Körperanzeichen vor. Beobachte beispielsweise erst die Rutenhaltung, dann die Ohren und dann die Ausrichtung der Körperachse deines Hundes. Du wirst merken, dass du langsam, aber sicher immer mehr auf einmal wahrnimmst.
Sehr wichtig ist dabei, dass du deine Beobachtungen und Schlussfolgerungen daraus immer wohlgesonnen den Hunden gegenüber vornimmst. Selbst wenn du jetzt bei deinem oder dem entgegenkommenden Hund Drohverhalten siehst, dann schlussfolgere bitte nicht, dass der Hund böse oder unsozial ist. Drohverhalten ist Kommunikation und gibt dir den Hinweis darauf, dass diese Begegnung für den Hund in diesem Moment nicht okay ist.
Respektiere den Wunsch nach Abstand und wenn es dein Hund ist, dann trainiere gemeinsam mit deinem Hund, damit er erwünschtes Verhalten zeigen kann.