Perfect Match - Welcher Tierschutzhund passt zu mir?
Einem Hund aus dem Tierschutz ein Zuhause zu geben ist, richtig gemacht, eine tolle Sache. Nur wie findet man den Hund, der zu einem passt und mit dem man die nächsten Jahre harmonisch zusammen verbringen kann? Tierärztin Judith Schönenstein beschreibt, was zu bedenken ist, um den passenden Hund zu finden.
Von „Tierschutzhunde sind so dankbar“ über „die brauchen nur etwas Liebe, dann klappt das schon“ bis zu „diese Hunde sind alle irgendwie gestört“ oder „alles besser als im Tierheim“ hört man von anderen Hundehalter:innen viele Dinge über Hunde aus dem Tierschutz.
Den einen Tierschutzhund gibt es natürlich nicht. Aber es gibt einige Dinge, die man beachten sollte, wenn man einem Hund aus dem Tierschutz ein Zuhause schenken möchte, damit die Chance auf ein „Perfect Match“ und ein harmonisches Zusammenleben für beide Seiten besonders groß ist. Dabei sollte man sich viele Fragen zu unseren Voraussetzungen als neue Hundehalter:innen, zu den Voraussetzungen und Bedürfnissen des Hundes, zur richtigen Tierschutzorganisation und zur Vor- und Nachbetreuung der Vermittlung stellen.
Der Mensch
Zuerst einmal macht es Sinn, dass sich alle Familienmitglieder bzw. Menschen, die an der Betreuung des Hundes beteiligt sein werden, an einen Tisch setzen und ihre Vorstellungen, Wünsche und Möglichkeiten formulieren und abgleichen. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden:
Für wen ist der Hund?
- Wer trägt die Verantwortung? Die Verantwortung muss im-mer ein Erwachsener tragen!
- Warum soll es überhaupt ein Hund sein? • Warum jetzt?
- Soll der Hund als reines Familienmitglied leben?
- Muss/darf er mit zur Arbeit?
- Soll er Haus und Hof bewachen?
- Oder soll er für einen bestimmten Sport geeignet sein?
Generell ist auch die aktuelle und geplante Familiensituation zu bedenken:
- Gibt es Kinder, Enkel, Senioren oder gehandicapte Personen im zukünftigen Umfeld des Hundes?
- Wie sind die körperlichen Voraussetzungen der Menschen? Eine zarte Person, die 50 kg auf die Waage bringt, und ein kräftiger Hund mit viel Energie können sicher auch gut mitei-nander leben, aber es gibt bestimmt auch Kombinationen, bei denen beide es leichter haben.
Weiter zu klären ist:
- Wie sind die Lebensumstände und täglichen Routinen?
- Wie viel Zeit bleibt täglich für die Beschäftigung mit dem Hund?
- Muss der neue Hausgenosse irgendwann alleine bleiben und wie lange?
- Wie soll die Betreuung im Urlaub geregelt werden oder kann der Hund mitreisen?
Und nicht zuletzt ein oft unterschätzter Punkt sind die finanziellen Möglichkeiten in Bezug auf Futter, medizinische Versorgung, Training etc. Bei den inzwischen sehr modernen Möglichkeiten in der tiermedizinischen Versorgung kann diese im Notfall auch schon mal mehrere tausend Euro kosten.
Bei älteren Menschen ist zudem zu überlegen, wer die Versorgung bei gesundheitlichen Problemen oder im Todesfall übernimmt.
Bei jüngeren zukünftigen Hundehaltern ist auch ein Kinderwunsch relevant, da die Erziehung gleich mehrerer „neuer“ Familienmitglieder erfahrungsgemäß sehr gute Nerven und Flexibilität erfordert. Das sollte man wirklich wollen oder vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt über die Anschaffung eines Hundes nachdenken.
Nun kommen noch ein paar Punkte zum direkten Umgang mit dem Hund dazu:
- Besteht Hundeerfahrung und Trainingserfahrung? Jemand, der schon seit 30 Jahren mit Hunden zusammenlebt, muss nicht zwangsweise Trainingserfahrung haben, wenn die bisherigen Hunde nur mitgelaufen sind.
- Benötigt man für den gewünschten Hund eine Sachkunde?
Zuletzt ist auch das eigene Umfeld zu beleuchten:
- Welche rechtlichen Vorgaben bestehen am Wohnort?
- Ist die Erlaubnis vom Vermieter oder der Hausgemeinschaft eingeholt? Auch bei Eigentum empfiehlt es sich, mit den Nachbarn zu sprechen, besonders wenn diese schon Hunde haben oder vielleicht überhaupt keine Hunde mögen.
- Ist ein Garten vorhanden? Ist dieser hoch genug eingezäunt?Gibt es Auslaufmöglichkeiten?
- Wie stressig ist generell das eigene Lebensumfeld für einen Hund? Einem ängstlichen Hund, der ländlich aufgewachsen ist, tut man mitten in der Stadt sicher keinen Gefallen.
Alle Beteiligten sollten hier ehrlich sein und ihre Erwartungen klar formulieren.
Danach sollte anhand dieser Liste eingegrenzt werden, welche Hundetypen überhaupt in Frage kommen.
Zusätzlich hilft es oft, eine No-go-Liste zu schreiben. Vielleicht kommt für den einen kein langhaariger Hund in Frage, für den nächsten kein Hund, der viel bellt oder jagt.
Am Ende dieser Überlegungen sollte ein „Wunschhund“-Profil stehen, am besten mit einer Zusatzliste, welche Eigenschaften denn für alle noch ok sind. Das erweitert die Möglichkeiten, einen passenden Hund zu finden.
All die oben genannten Fragen sollte sich natürlich auch jeder zukünftige Halter eines Hundes vom Züchter stellen. Besonders aber bei Hunden aus dem Tierschutz, die manchmal schon so einiges erlebt haben, ist jede misslungene Vermittlung eine zu viel. Und kann fast immer durch genaue und gründliche Vorarbeit, Beratung durch einen guten Hundetrainer etc. verhindert werden.
Der Hund
Auch in Bezug auf das neue tierische Familienmitglied sollten einige Punkte genau geklärt werden:
- Wie soll der Hund aussehen und welchem Rasse-/Hundetypus entsprechen?
- Wie alt sollte er sein und wie groß (werden)? Natürlich ist ein Welpe süß und man kann vielleicht manche Dinge in diesem Alter noch leichter beeinflussen. Aber ein erwachsener/älterer Hund ist oft leichter einzuschätzen und vielleicht in einigen Situationen deutlich gelassener.
- Darf der neue Hausgenosse gesundheitlich oder körperlich eingeschränkt sein?
- Welche Verhaltensweisen wünscht man sich von seinem Hund und welche würden gar nicht in das eigene Leben passen? Dabei macht es sehr viel Sinn, wenn man sich überlegt, welche Ursprungsaufgaben ein Rassetypus hatte und wofür die Hunde, besonders bei Hunden aus dem Ausland, genutzt werden. Wenn in einem Land über Jahrhunderte Hunde vor allem für den Schutz von Haus und Hof zuständig waren und diese Hunde nun bei uns weder bellen noch irgendetwas verteidigen sollen, sind Probleme vorprogrammiert.
Auch die direkte Herkunft des Hundes spielt bei der Auswahl eine große Rolle. Ist ein Hund quasi ohne Außenreize mit vielen Artgenossen in einer vermüllten Wohnung oder alleine an der Kette oder auf der Straße aufgewachsen, so werden ihn wahrscheinlich viele für uns normale Alltagssituationen evtl. sehr ängstigen. Entweder ist man sich dieser Tatsache und der vielen Arbeit, die auf einen mit so einem Hund zukommt, bewusst (diese Herausforderungen sollte man weder für sich noch für den Hund kleinreden) oder man sucht einen Hund, der sich direkt in der zukünftigen Umgebung wohler fühlen kann.
Dabei hilft es sehr, die Situation mal aus Sicht des Hundes zu betrachten. Stellen Sie sich vor, Sie müssten plötzlich in einem völlig fremden Land leben, ohne die Sprache, die Regeln oder irgendetwas zu verstehen. Sie wären sicher froh, wenn Ihnen so viele Dinge wie möglich bekannt vorkämen, um sich irgendwie zurechtzufinden.
Nicht zu vergessen sind mögliche schon vorhandene andere Hunde bzw. andere Haustiere und deren Bedürfnisse. Wenn zum Beispiel schon ein älterer Hund in der Familie lebt, der von Welpen schnell genervt ist, sollte ein passenderer Kandidat gefunden werden.
Der Tierschutzverein – das Tierheim
Das Hundeprofil ist also erstellt. Nun geht es daran, irgendwo den dazu passenden Hund zu finden.
Da gibt es einige Möglichkeiten:
Zum einen natürlich ein Tierheim. Wenn ein bestimmter Hundetyp bzw. eine bestimmte Rasse gesucht wird, gibt es Portale, auf denen viele Tierheime ihre Tiere präsentieren. Dort kann man über Suchparameter schauen, ob ein passender Hund in einem dort vertretenen Tierheim sitzt.
Wenn die Rassezugehörigkeit egal ist, kann man sich im örtlichen Tierheim ausführlich beraten lassen und schauen, ob dort ein geeigneter Kandidat auf ein neues Zuhause wartet. Zudem kann man im Tierheim auch mehrere Hunde kennenlernen, gemeinsam spazieren gehen und oft auch ein Probewohnen vereinbaren, um herauszufinden, ob man seinen passenden tierischen Mitbewohner gefunden hat.
Foto: Roland GoldeDann gibt es Tierschutzvereine ohne Tierheime, die zum Teil mit Hilfe von Pflegestellen Hunde aus Deutschland oder dem Ausland vermitteln. Und Vereine, die sich auf einzelne Rassen oder Hundetypen (z. B. Jagdhunde in Not) spezialisiert haben.
Optimal ist, wenn die-se Vereine mit Pflegestellen arbeiten, damit man den potentiellen tierischen Mitbewohner vor der Adoption kennenlernen kann. Das ist ein wichtiger Aspekt. Natürlich kann eine direkte Vermittlung über Fotos, Videos und eine gute Beschreibung auch funktionieren. Wenn es aber doch nicht passt, muss der Tierschutzverein einen Plan B zur Unterbringung des Hundes haben.
Sollte es diesen Notfallplan nicht geben, lassen Sie besser die Finger von dem Verein.
Von den einschlägigen Anzeigenportalen zur Hundesuche kann man nur dringend abraten, da diese häufig von dubiosen Händlern genutzt werden.
Die Beschreibung der Hunde
Eine liebevolle, ehrliche Beschreibung des Hundes ohne reißerische oder zu rührige Texte ist sehr wichtig, um den passenden Hund finden zu können. Abstand zu nehmen ist von Vermittlungsanzeigen, in denen dem Hund menschliche Charakterschwächen wie Hinterhältigkeit, Chef-Allüren oder Ähnliches unterstellt werden bzw. fachlich falsche Begriffe wie Dominanz als Charaktereigenschaft genutzt werden. Auch sollte man bei besonders mitleiderregenden Beschreibungen des bisher durch den Hund erlebten, die meist die wirklichen hündischen Bedürfnisse völlig außer Acht lassen, vorsichtig sein.
Ein brenzliger Punkt sind Hinweise auf Aggressionsverhalten in bestimmten Situationen. Abgesehen davon, dass dieses zum natürlichen Verhalten von Hunden gehört, darf es weder ver-niedlicht noch beschönigt werden. Mit positivem Training und Management der Problemsituationen ist ein gemeinsames Leben oft gut möglich. Auch hier sollte man aber wissen, worauf man sich einlässt.
Ebenso ist bei sehr positiven Darstellungen und Verallgemeinerungen (z. B. kinderlieb) etwas Vorsicht geboten. Haken Sie da ruhig noch weiter nach.
Wenn irgendwie möglich, sollten so viele Informationen, wie es geht, zu Vorerfahrungen und Reaktionen des Hundes mit und auf fremde Menschen (Erwachsene, Kinder …), andere Artgenossen, andere Tiere und verschiedene Umweltreize und Situationen dargestellt werden. Dadurch erhält man ein viel besseres Bild, welche Lebenssituation für diesen Hund optimal wäre.
Zudem sollten Dinge wie das generelle Energielevel des Hundes, sein Ruhebedürfnis, Stubenreinheit, das Alleinebleiben, aber auch gesundheitliche Einschränkungen und damit einhergehende medizinische Behandlungen deutlich angesprochen werden. Je detaillierter die Beschreibung des Hundes und seiner Verhaltensweisen ist, desto besser.
Fragen Sie auch nach Routinen, Lieblingsfutter und -spielzeug, nach Dingen, die der Hund gerne oder überhaupt nicht mag. Zudem nach bisher erfolgtem Training und den genutzten Signalen, Problemverhalten oder anderen Besonderheiten des Hundes.
Die Vermittlung Foto: Roland Golde
Bei einer seriösen Vermittlung findet vorab eine intensive Abfrage durch den Tierschutzverein statt, um den passenden Hund für diese Familie zu finden. Dabei ist es sehr lobenswert, wenn von Seiten des Vereins viel gefragt und erklärt und evtl. auch von einem bestimmten Hund abgeraten wird. Der Verein sollte vor allem im Sinne der Hunde handeln und denken und nicht, um möglichst viele Tiere irgendwie zu vermitteln. Auf der anderen Seite sollte auch der Interessent viele Fragen stellen dürfen. Danach sollten sich Mensch und Hund in Ruhe kennenlernen und, wenn es zu einer Vermittlung kommt, auch die Nachbetreuung durch den Verein/einen Hundetrainer in Anspruch nehmen können.
Viele Vereine arbeiten mit Vor- oder Nachkontrollen, auch um die neuen Hundehalter kennenzulernen und unterstützen zu können. Zu beachten ist, dass viele Hunde einige Monate brauchen, um im neuen Zuhause anzukommen. Scheuen Sie sich auch später nicht, sich Ratschläge und Hilfe zu holen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Leben mit einem Tierschutzhund wunderbar sein kann. Denn für diesen einen Hund verändern Sie das ganze Leben und retten es damit vielleicht sogar. Je klarer die Wünsche der Menschen und die Bedürfnisse des Hundes im Vorhinein sind, desto größer die Chance auf ein „Perfect Match“ fürs (Hunde-)Leben und viele tolle, gemeinsame Erlebnisse.