Der Familienhund - Das Kundenmagazin der BHV-Hundeschulen

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Der Therapiehund

erschienen am 19. Februar 2018
Foto: Rolf Hömann
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Die Verbindung zwischen Mensch und Hund ist uralt, bewiesenermaßen heilsam und oftmals beinahe magisch. Doch für den Einsatz von Hunden im sozialen Bereich reicht Tierliebe allein nicht aus. Dieser Artikel möchte Ihnen einen Einblick geben in die Welt der professionellen tiergestützten Arbeit mit dem Hund.

Gemischte Gefühle machen sich in mir breit. Meiner Cara, zu diesem Zeitpunkt vier Jahre alt, geht es ebenso. Ich sehe es ihr an, wir sind ein vertrautes Team. An diesem Wintertag sind wir uns unseres neuen Einsatzes nicht so sicher wie sonst. Vor uns liegt Mia.

Cara und ich gehen seit ihrer zehnten Lebenswoche zusammen durchs Leben. Beruflich wie privat. Mein Mädchen ist ein Landseer-Mix. Stolze 52 kg mit einem fröhlichen schwarz-weißen Gesicht. Eine Knutschkugel durch und durch.

In diesem Moment ist sie ernst. Angespannt streift sie durch das hübsch dekorierte Wohnzimmer der Familie. Der Blick fällt durch die großzügigen Fenster in den verschneiten Garten. Es ist still. Bis auf die Geräusche der kleinen Mia. Mia ist elf Jahre alt, von Geburt an schwerst mehrfach behindert. Mia ist vollständig blind und taub. Sie wird über eine Magensonde ernährt, ist allein kaum bewegungsfähig und bekommt bis zu 30 epileptische Anfälle täglich. Sie wird im Rahmen einer 24-Std.-Pflege zu Hause betreut. Ein Alltag, der auch Vater und Mutter ins Gesicht geschrieben steht.

Die Familie wünscht sich tiergestützte Therapie. Ich bin in Anbetracht der Schwere des Falles verhaltender als sonst, aber nach einer umfassenden Erstanamnese und Konzeption starten wir mit zwei halbstündigen Therapieeinheiten wöchentlich. Unsere einzige Möglichkeit der Kontaktaufnahme geht über das Fühlen.

Mia liegt auf einem großen Bodenkissen, Cara bewegt sich frei im Raum und entscheidet selbst über die Intensität der Kontaktaufnahme. In kleinen Schritten tasten wir uns vor. Hände, Arme, Beine und Gesicht dürfen berührt werden. Die nasse Hundenase, die raue Zunge, das warme weiche Fell. Was bewirken sie im Laufe der Zeit?

Für Mias Eltern sind die Veränderungen bereits ab der dritten Woche spürbar. Mia lächelt mehr, scheint allgemein fröhlicher. Ihr Muskeltonus ist entspannter, ihre verschleimten Bronchien atmen freier. Und die Krampfanfälle reduzieren sich! An manchen Tagen sind es nur noch zehn. Details, die für einen Außenstehenden minimal erscheinen, für die Familie aber eine deutliche Verbesserung ihres Alltags bedeuten. Eine besondere Erfahrung, insbesondere auch für uns.

Tiere als Arbeitskollegen

Der Status von Tieren hat sich verändert – vom Nutz- zum Haustier hin zum Sozialpartner. Tiere, insbesondere Hunde nehmen in unserer Gesellschaft mittlerweile nicht nur einen immensen ökonomischen Stellenwert ein, sondern erfüllen vielerlei Aufgaben. Unter ihnen sind wahre Spezialisten wie Assistenzhunde, Rettungshunde, Hunde als Helfer der Polizei und viele mehr. Tiergestützte Interventionen in therapeutischen, pädagogischen oder pflegenden Bereichen sind Teilaspekte dieser neu entstehenden Berufsfelder und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Die Arbeit mit Tieren setzt berufliche Handlungsfähigkeit voraus. Es gibt aktuell allerdings weder geschützte Berufsbezeichnungen noch Qualitätskontrollen bei der Ausbildung von Therapiehunden.

Eine Marktanalyse der Deutschen Gesellschaft für Tiergestützte Therapie e.V. ergab über 500 privatwirtschaftliche Anbieter von Fortbildungsmaßnahmen für den tiergestützten Bereich. Viele widmen sich dem Hund inklusive entsprechender Eignungstests. Jede dieser Überprüfungen ist vom jeweiligen Anbieter selbst entwickelt, es gibt mehrere, die tierschutzrelevante Elemente enthalten. Hunde werden innerhalb der Prüfungssettings bewusst getreten oder diversen Schmerzreizen ausgesetzt. Wir erleben Hunde, die erst nach solch einer Eignungsprüfung problematisches Verhalten zeigen.

Interessenten sollten daher wissen, dass es für diesen Bereich bisher keine bundeseinheitlichen Qualitätsstandards gibt. Ein Umstand, der sich für Tierhalter, Klienten und Tierschutz negativ auswirkt.

An dieser Stelle müssen künftige Fachkräfte der tiergestützten Intervention zeigen, welcher Sachverstand erforderlich und welche gesetzlichen Regelungen verbindlich sind.

Tierschutz für Therapietiere

In unserem Alltag der Deutschen Gesellschaft für Tiergestützte Therapie e.V. und unserer spezialisierten Therapiehundeschule erreichen uns leider viel zu oft die Fälle, in denen Einsätze zu Lasten der Tiere gingen. Auffällig viele Therapiehunde leiden unter chronischer Überforderung, Dauerstress macht sie krank und verhaltensauffällig. Dies ist meist ein Resultat mangelnder Fachkenntnis des Hundehalters, aber leider auch oft verursacht durch bewusstes Wegschauen. Krisensituationen werden zu spät abgebrochen, das Ausdrucksverhalten des Hundes fehlinterpretiert. Hinzu kommen Fälle gezielter Misshandlung von Hunden durch Klienten. In manchen therapeutischen Settings, abhängig von den Krankheitsbildern der Klienten, reichen wenige Minuten, um einen Therapiehund dauerhaft zu schädigen. All diese Geschichten passieren tatsächlich – und leider fast täglich.

Mehr Tierschutz für Therapietiere kann nur ein Gemeinschaftswerk von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sein. Alle müssen ihren Beitrag leisten: der Staat durch Rahmenbedingungen, die das Wohlbefinden von Tieren sichern, die Tierhalter, die den Tierschutz in die Tat umsetzen, und nicht zuletzt die Unternehmerinnen und Unternehmer, die durch einen verantwortungsvollen und fachkompetenten Umgang mit ihrem Berufskollegen Tier deutliche Signale setzen können. Alle gemeinsam tragen die Verantwortung für die weitere Entwicklung des Tierschutzes.

Sachkundenachweis gemäß § 11 Tierschutzgesetz

Die wenigsten Anwender tiergestützter Interventionen wissen um die behördliche Notwendigkeit des Sachkundenachweises gemäß § 11 Tierschutzgesetz. Basis hierfür ist der sogenannte „gewerbliche Einsatz von Tieren“. Dieser Sachkundenachweis wurde im vergangenen Jahr verfeinert für „Tiere im sozialen Einsatz / Tiergestützte Interventionen“. Generell ist das Veterinäramt für die Anerkennung erworbener Kenntnisse zuständig, entscheidet im jeweiligen Einzelfall und erteilt die entsprechende Erlaubnis. Darüber hinaus kann es notwendig sein, die sogenannte „Transportsachkunde“ abzulegen. Hiervon betroffen sind tiergestützte Fachkräfte, die mit ihrem Tier mehr als 65 km Wegstrecke zurücklegen.

Ebenso wie für Hundetrainer sollte das Innehalten der behördlichen Sachkunde grundlegendes und selbstverständliches Qualitätsmerkmal für alle Aktiven im tiergestützten Feld werden. Es dient der Sicherung des Tierschutzes und der Transparenz für Klienten und Kostenträger.

Bildung für Fachkräfte

Die Professionalisierung von Fachkräften und den respektvollen Umgang mit Tieren gesellschaftlich und politisch zu vertreten ist das Anliegen einer aktuellen Bildungsentwicklung.

Die Deutsche Gesellschaft für Tiergestützte Therapie e.V. ist Initiator des Projektes „Bildungsentwicklung Qualifizierungsmodelle für die Gesundheitswirtschaft in der Tiergestützten Therapie & Intervention“, welches aktuell durch das Land Brandenburg in der Entwicklung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird.

Gemeinsam mit der IHK Potsdam entstand der neue und zukunftsweisende Zertifikatslehrgang „Tiergestützte Interventionen IHK“. Erstmals ist es auf diesem Weg gelungen, das Thema in die öffentlich-rechtlichen Hände einer IHK zu geben. Absolventen erhalten nach erfolgreichem Abschluss nicht nur das IHK-Zertifikat, sondern auch den Sachkundenachweis § 11 TierSchG für ihre gewählte Tierart.

Qualitätsnetzwerk Tier swimmer 802890Service-Dogs achten in allen Bereichen auf die ihnen Anvertrauten. Foto: pixabay.com
 

Parallel zur Lehrgangsentwicklung entstand das Qualitätsnetzwerk Tier. Ein Verbund bundesweit aktiver Vereine, Verbände und Institutionen, die sich der Etablierung von Qualitätsstandards für tiergestützte Interventionen verschrieben haben. Mit dabei sind starke Partner wie der Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V., der Deutsche Tierschutzbund, die Medizinische Hochschule Brandenburg, die Kinderschutzengel e.V. und viele mehr.

Sie alle handeln im Sinne der Therapietiere, denn die Vermittlung von Wissen bedeutet, aktiven Tierschutz zu leisten.

Training für Therapiehunde

Wie sehen nun die Anforderungen an den individuellen Hund aus?

Aus den vorangegangenen Erläuterungen ergibt sich, dass keine geregelten Vorgaben existieren. Unsere Erfahrungen der DGTT-Therapiehundeschule zeigen, dass das Training so individuell wie das Team und sein Einsatzbereich sein muss. Es gibt nicht DEN Therapiehund.

Therapiehunde sind spezialisierte Fachkräfte, weniger Generalisten. Ich persönlich bin kein Befürworter des multidisziplinären Einsatzes. Heute Hospiz, morgen Kita, übermorgen Demenzgruppe? Erfahrungsgemäß führt ein solcher Wochenplan sehr schnell zur Überforderung des Hundes. Der Mensch als Fachkraft , sei es in der Therapie, der Pädagogik oder der Pflege, spezialisiert sich im Laufe seiner beruflichen Laufbahn auf eine bestimmte Klientengruppe. Man kennt die entsprechenden Krankheitsbilder, Verhaltensweisen und Anforderungen seines Gegenübers. Dieses Einlassen und Kennenlernen auf bestimmte Bedürfnisse und spezialisierte Einsatzsettings sollten wir auch unseren Therapiehunden zugestehen. Es hilft ihnen, sich sicher zu fühlen und ihr Potenzial voll zu entfalten.

Grundlage für jeden Therapiehund ist eine überdurchschnittlich gute Sozialisation, eine artgerechte Haltung sowie ein ausschließlich positives Training. Ein Hund mit Job sollte zu Beginn seiner Ausbildung entspannt durch den normalen Alltag gehen können, denn mit dem Entspannungsgrad des Hundes steht und fällt die Wirkung der tiergestützten Intervention! In unserem Therapiehunde-Jahreskurs beginnen wir mit den Übungen des BHV-Hundeführerscheins und setzen die entsprechende Überprüfung durch die externen BHV-Fachleute auch als Ziel und Grundlage für das therapeutische Team. Der BHV-Hundeführerschein vermittelt alle wichtigen Basics für den sicheren Hundealltag und darüber hinaus dient er als gute Orientierung für Ämter und Behörden, die entsprechend ausgebildete Therapiehunde teilweise bereits von der Hundesteuer befreien.

Jeder Therapiehund sollte überdurchschnittlich viel Körperkontakt haben, Medical Training erfahren und Übungen zum allgemeinen Handling. Nicht genug geübt werden können – ein ganzes Hundeleben lang – Übungen aus dem Bereich Impulskontrolle und vielfältige Entspannungstechniken.

Dieses Basistraining sollte ergänzt werden durch individuelles, einsatzspezifisches Training. Hierfür ist es wichtig, dass der Trainer bestenfalls selbst therapeutische oder pädagogische Fachkenntnis innehält!

Das Therapie-Team ist nun gefordert, jedes Detail des Arbeitsalltags zu lernen. Geräusche, Gerüche, Bodenbeläge, Raumtemperaturen, Verhalten von Klienten, spezielle Hilfsmittel usw. Die Welt des Therapiehundes ist immens komplex und wird oft mals vom Menschen unterschätzt, denn für uns ist es meist seit vielen Jahren Alltag. Hier heißt es nun, aufmerksam zu werden und das Umfeld mit den Sinnen unseres Hundes neu zu entdecken. Wie riecht das Desinfektionsmittel? Welche Geräusche macht das Beatmungsgerät? Wie läuft man mit vier Pfoten neben einem Rollator? Wann sind unsere Klienten eventuell affektgestört? Tausend Dinge in einem Hunde universum!

lutz hehmke2Foto: Lutz HehmkeUnd danach?

Das Training für Therapiehunde sollte einen sicheren, vertrauensvollen, aber dennoch selbstständigen Hund fördern. Es endet nicht nach einem Kurs. Im Gegenteil, es beginnt dann erst. Der berufliche Alltag bringt ständig neue Anforderungen und oftmals auch Veränderungen mit sich. Ebenso wie es Standard für die Fachkräfte ist, sollte sich das Thema der berufsbegleitenden Supervision auch für den tiergestützten Bereich und die Therapietiere etablieren.

Ansonsten gibt es noch zu sagen, dass es den klassischen Therapiehund nicht gibt. Jede Rasse, jede Größe, jede Hundepersönlichkeit bringt ihr Potenzial in den jeweiligen therapeutischen Kontext ein. Und das ist es, was die Arbeit mit Mensch und Hund so besonders macht. Die Individualität, die Vielfältigkeit der Aufgabe, die Verbindung von Fachwissen und Herzensthema.

Gelingt uns dieser Spagat, können wir gemeinsam mit unserem engsten Tierfreund magische Momente für unsere Klienten und auch für uns selbst zaubern. Menschen wie Mia erfahren durch unseren vierbeinigen Begleiter heilsame Berührung und wir selbst werden mit jedem gelungenen Einsatz die Beziehung zwischen uns und unserem Hund stärken. Eine Aufgabe, die sich jeden Tag aufs Neue lohnt!

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Angela Zimmermann
Foto: privat

Zur Person

Angela Zimmermann ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Tiergestützte Therapie e.V. und der DGTT-Therapiehundeschule sowie Mitglied im bundesweit tätigen Fachbeirat „Mensch & Tier“ der IHK Potsdam. Neben einem Studium der Humanpsychologie absolvierte sie die Lehrgänge zur Hundeverhaltensberaterin IHK I BHV und Hundefachwirtin IHK. Zu ihren Spezialgebieten zählen die Mensch-Tier-Psychologie, das Coaching für Therapiehunde und Therapeuten sowie – aus Passion – Neufundländer.

Kontakt

www.angela-zimmermann.de

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BHV
Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V.
Alt Langenhain 22
65719 Hofheim

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