Arthrose beim Hund
Es gibt kaum einen Hund, der im Alter nicht mit Gelenkserkrankungen wie Arthrose zu kämpfen hat. Schmerzen und Lahmheiten sind die Folge. Woher sie kommen und was man tun kann, fragen wir Dr. Linda Böswald, Mitautorin einer Studie, die neue Hoffnung geben soll.
FH: Was genau ist Arthrose eigentlich?
Dr. Linda Böswald: Der Begriff Arthrose fasst verschiedene degenerative Prozesse an den Gelenken zusammen. Insgesamt handelt es sich um einen fortschreitenden Abnutzungsprozess. Die Knorpelsubst anz, die den Knochen im Gelenk schützt, nimmt ab. Der unter dem Knorpel liegende Knochen wird in der Folge ebenfalls geschädigt. Es kann auch zu Zubildung von Knochensubstanz kommen, die den normalen Bewegungsablauf im Gelenk behindert und zu weiterer Schädigung des Knorpels führt. Oft liegt auch eine chronische Entzündung vor.
FH: Welche Symptome zeigt der Hund? Und woran erkenne ich, dass es sich tatsächlich um eine Arthrose handelt?
Dr. Linda Böswald: Die Symptome der Arthrose werden durch den Schmerz im betroffenen Gelenk verursacht. Wie sich der Schmerz äußert, kann sich von Tier zu Tier und auch in Abhängigkeit des Schweregrades unterscheiden. Typisch ist ein schleichender Beginn mit einem unrunden oder steifen Gangbild, reduzierter Aktivität, Schwierigkeiten beim Hinlegen/Aufstehen sowie dem Vermeiden bestimmter Bewegungen (z. B. Springen, Treppensteigen, Spielen). Im weiteren Verlauf kann es zu einer Lahmheit kommen. Manchmal bessert sich die Lahmheit nach einer gewissen „Einlaufphase“; sie kann aber durchaus nach längerer Belastung wieder deutlicher werden. Die Hunde reagieren evtl. auch bei Berührung durch Menschen oder andere Tiere mit Schmerzäußerungen. Insgesamt leidet die Lebensqualität der Hunde unter den chronischen Schmerzen.
Die Diagnose Arthrose sollte durch einen Tierarzt gestellt werden, um andere Gründe für Schmerz oder akute Lahmheiten auszuschließen. Bei einer gründlichen Untersuchung des Bewegungsapparats werden die Gliedmaßen abgetastet und auf ihre Beweglichkeit hin untersucht und der Hund sollte in verschiedenen Gangarten ein paar Meter auf und ab geführt werden, damit das Gangbild beurteilt werden kann. Zusätzlich können auch bildgebende Verfahren zur weiterführenden Diagnostik eingesetzt werden.
FH: Wann treten Gelenkserkrankungen gewöhnlich auf?
Dr. Linda Böswald: Angeborene Gelenkerkrankungen können schon im Wachstum in Erscheinung treten. Auch Erkrankungen des Bewegungsapparats, die auf eine Fehlernährung zurückzuführen sind, treten häufig schon beim Junghund auf.
Arthrose als degenerative Gelenkserkrankung tritt in der Regel bei mittelalten bis älteren Tieren auf, es kann allerdings in Folge von z. B. angeborenen Gelenkfehlstellungen oder Verletzungen auch schon junge Tiere treffen.
FH: Was sind die Ursachen einer Arthrose?
Dr. Linda Böswald: Entwicklungsstörungen des Skeletts, Fehlstellungen sowie Übergewicht sind typische Risikofaktoren für Arthrose. Ein weiteres Risiko für die Entstehung einer Arthrose ist eine Verletzung bzw. ein Unfall. Mit steigendem Alter der Tiere nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass eine Arthrose vorliegt.
FH: Was kann ich akut tun, wenn mein Hund die Diagnose Arthrose erhalten hat?
Dr. Linda Böswald: In der Regel besteht die Therapie einer chronischen degenerativen Arthrose aus der Gabe von entzündungshemmenden Medikamenten, die gleichzeitig auch den Schmerz lindern (sog. nicht-steroidale Antiphlogistika, NSAIDs). Vor allem wenn akut deutliche Schmerzsymptome gezeigt werden, sind solche Schmerzmittel in Absprache mit dem behandelnden Tierarzt angebracht. In dieser Zeit sollte der Hund auch geschont werden, d. h. nur kleine Spaziergänge an der kurzen Leine stehen auf dem Programm, bis eine Besserung eintritt.
Zur längerfristigen Therapie können auch gezielte physikalische Maßnahmen wie Physiotherapie sinnvoll sein. Bei längerer Gabe von Schmerzmitteln sollten regelmäßige Tierarztbesuche inkl. Blutuntersuchungen eingeplant werden, um etwaige Nebenwirkungen der Dauermedikation frühzeitig zu erkennen.
FH: Was kann ich als Hundehalter präventiv tun?
Dr. Linda Böswald: Bei der Zucht sollten genetische Veranlagungen zu bestimmten Gelenkserkrankungen beachtet werden, um möglichst auf Skelettgesundheit zu selektieren. Welpen und Junghunde sollten langsam wachsen und eine bedarfsdeckende Fütterung erhalten. Übergewicht beim erwachsenen Hund sollte vermieden bzw. abgebaut werden. Falls angeborene oder verletzungsbedingte Fehlstellungen des Skeletts vorliegen, kann in manchen Fällen eine operative Korrektur das Risiko der Arthroseentwicklung reduzieren.
FH: Wie sollte ich füttern, damit mein Hund möglichst arthrosefrei leben kann?
Dr. Linda Böswald: Die Ernährung spielt zunächst eine Rolle bei der gesunden Entwicklung während des Wachstums. In dieser Phase ist eine individuell angemessene Energiezufuhr sowie eine bedarfsdeckende Nährstoffversorgung besonders wichtig, auch um Skelettentwicklungsstörungen zu verhindern. Ein zu schnelles Wachstum sollte vermieden werden. Wichtig zu erwähnen ist hier, dass allein das regelmäßige Wiegen und die Gewichtskontrolle mithilfe einer Wachstumskurve im Wachstum eingesetzt werden sollten – die Beurteilung der „Figur“ ist bei Welpen und Junghunden nicht aussagekräftig! Auch schlaksige Junghunde können zu viel wiegen, ohne dick auszusehen.
Zu schnelles Wachstum prädisponiert auch für ein weiteres Problem – das Übergewicht. Ist ein ausgewachsener Hund zu dick, belastet auch jedes „überflüssige Kilo“ die Gelenke zusätzlich. Grundsätzlich sollte jeder Hund eine an seinen Bedarf angepasste Fütterung bekommen. Beim Arthrose-Patienten kann es sinnvoll sein, auf eine reichliche Versorgung mit Nährstoffen zu achten, die einen antientzündlichen Effekt haben können oder den Stress der Zellen reduzieren (antioxidative Wirkung). Das wären beispielsweise Omega-3-Fettsäuren, insbesondere Decahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA), und Vitamin E. Omega-3-Fettsäuren sind in hohen Gehalten in Lachsöl enthalten.
Es gibt spezielle Alleinfuttermittel für Hunde mit Gelenkserkrankungen, die so zusammengesetzt sind, dass DHA, EPA und Vitamin E in entsprechend hohen Mengen enthalten sind. Oft sind auch noch Zusätze enthalten, denen eine positive Wirkung bei Arthrose zugeschrieben wird. Die Auswahl eines solchen Alleinfuttermittels kann in leichten Fällen beginnender Arthrose und/oder begleitend zur medikamentösen Therapie sinnvoll sein, er-setzt aber bei Tieren mit starken Schmerzen kein Schmerzmittel.
FH: Ist die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln bei Arthrose sinnvoll?
Dr. Linda Böswald: Es gibt viele Ergänzungsfuttermittel auf dem Markt, die angeblich gegen Arthrose helfen sollen. Eindeutig wissenschaftlich bewiesen ist die Wirkung beim Hund bislang allerdings noch bei keinem dieser Präparate, sodass ich hier aktuell leider keinen klaren Rat aussprechen kann. Eine Doktorarbeit an unserem Lehrstuhl zeigte sogar, dass die Hundebesitzer zwei Ergänzungspräparaten (Chrondroitinsulfat und Grünlippmuschelextrakt) keine Wirkung auf die Symptome ihrer Tiere zuschrieben, während das Placebo als einziges Präparat in dieser Studie eine durch die Besitzer eingeschätzte signifikante Verbesserung brachte.
Außerdem sollte bei der Auswahl eines Präparats auf die Zusammensetzung geachtet werden – wenn hier Anteile von Pflanzen enthalten sind, die für Hunde giftig sind, raten wir von der Verfütterung auch in kleinen Mengen ab. Im Einzelfall kann eine Abklärung mit einem Tierarzt sinnvoll sein.
FH: Sie forschen derzeit an einer neuen Studie zu bioaktiven Kollagenpeptiden. Worum geht es dabei, und können bioaktive Kollagenpeptide bei Arthrose nachweisbar helfen?
Dr. Linda Böswald: Bioaktive Kollagenpeptide sind hydrolysierte, sprich stark zerkleinerte Kollagenbestandteile. Kollagen ist ein Eiweißmolekül des Bindegewebes, das unter anderem die Knorpelsubstanz ausmacht. Die bioaktiven Kollagenpeptide wurden schon an Menschen und beim Pferd eingesetzt und zeigten erste Erfolge. Die Theorie zur Wirkung lautet, dass sie den Wiederaufbau von Knorpelsubstanz im Gelenk fördern und die entzündliche Schädigung reduzieren können. Wir haben eine Studie an Hunden mit Arthrose durchgeführt, denen über mehrere Wochen bioaktive Kollagenpeptide verabreicht wurden. Allerdings stehen die Ergebnisse noch aus, sodass wir aktuell noch nicht sicher sagen können, ob die Kollagenpeptide auch beim Hund erfolgreich zur Verbesserung der Arthrose-Symptomatik eingesetzt werden können.