Der Familienhund - Das Kundenmagazin der BHV-Hundeschulen

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Wenn der Familienhund plötzlich beisst

erschienen am 17. Juni 2019
Foto: © Tanja – stock.adobe.com
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Beißvorfälle bei Kindern mit dem Hund der eigenen Familie sind laut Statistik die häufigsten Unfälle mit Hunden. Aurea Verebes ist Expertin für Bissprävention und erklärt, wie es dazu kommen kann und was die Familie tun muss, um Unfälle zu verhindern.

Immer wieder höre ich, dass es bei anderen durchaus zu Beißvorfällen kommen könne, der eigene Hund dazu aber niemals in der Lage sei – bis ich den Anruf erhalte, dass er eben doch gebissen hat.

Das Thema Bissprävention ist vielschichtig und komplex, denn Beißen ist nicht Beißen. Beginnend beim Zwicken, dem Kratzen der Schneidezähne beim zu groben Spiel über das gehemmte Beißen bis hin zu mehrfachen Beißattacken hat jeder Biss eine andere, individuelle Geschichte.

Warum beißt der Familienhund?

Die Gründe für einen Beißvorfall sind neben dem körperlichen Einschränken, dem zu intensiven Interagieren, dem (falschen) Umgang mit Ressourcen auch Schmerzen und allgemeine Überbelastung. Ein weiterer Grund, den ich separat behandeln möchte, ist das fehlgeleitete Beutefangverhalten, welches ebenfalls zu nicht unerheblichen Bissverletzungen führen kann.

Vor allem in sozialen Medien werden fleißig Videos geteilt, in denen ein Hund auf der Couch zu sehen ist und von einem Kind gestreichelt oder bedrängt wird. Körpersprachlich zeigt er durch Kopfabwenden, Über-den-Fang-Schlecken, „Einfrieren“, zurückgelegte Ohren und weit aufgerissene Augen, dass ihm diese Zuwendungen zu intensiv und einschränkend sind. Leider werden diese ersten Signale von den Haltern oft nicht wahrgenommen oder die Bezugspersonen sind nicht anwesend.

Der Hund ist dem Kind also „ausgeliefert“ und versucht deutlich zu kommunizieren, dass er mit dieser Situation überfordert ist. Durch die Position auf der Couch ist es ihm aber nicht möglich, sich aus dieser Situation durch einen Rückzug zu befreien, also muss er nach einer anderen Strategie suchen, sich Platz zu verschaffen – und das ist in der Regel der Weg nach vorn. Gerade kleinere Kinder können nicht einschätzen, ob der Hund das Streicheln oder Spielen mag, sind zu grobmotorisch oder schreien und quietschen dabei. Das kostet auch einen sonst nervenstarken Hund sehr viel Energie. Eine logische Konsequenz zeigt sich in den statistischen Zahlen, die eindrücklich belegen, wie wichtig es ist, Kindern den richtigen Umgang mit dem Hund zu lehren und sie nicht allein zu lassen, denn die meisten Beißvorfälle passieren zwischen dem 2. und 7. Lebensjahr und häufig in Abwesenheit der Bezugsperson.


Verteidigung wichtiger RessourcenHSC Kind2Spielzeuge sind Ressourcen. Das Spiel zwischen Kind und Hund muss gut angeleitet und begleitet werden. Foto: Connys Hundeschule

Gleiches gilt auch für den Umgang mit Ressourcen. Viele Hunde scheinen auf den ersten Blick kein Problem damit zu haben, dass man mit ihrem Spielzeug hantiert oder die Kinder das Kauzeug aus dem Fang nehmen, bei genauerer Betrachtung stellt man aber schnell fest, dass die Körperhaltung angespannt ist oder die Augen der Ressource hinterherstarren, und da beginnen die Probleme. Unsere Hunde empfinden nicht jede Ressource als gleich wichtig, wie wir Menschen auch. Uns ist das Smartphone vielleicht wichtiger als das Armband. Der Unterschied ist, dass wir kommunizieren können, dass es uns schwerer fällt, das Handy zu teilen. Unsere Hunde können dies nur durch ihre oft sehr subtile Körpersprache. Sie machen uns im Grunde jedes Mal ein Geschenk, wenn sie mit uns ihre Ressource teilen, und als solches sollten wir es betrachten, um sorgsam damit umzugehen.

Ein Kind und häufig auch (erwachsene) Besucher*innen wissen nicht um die Wertigkeit der unterschiedlichen Ressourcen. Ein futtermotivierter Hund reagiert beim Wegnehmen eines Knochens vielleicht impulsiver als ein Hund, den Futter weniger interessiert. Entsprechend steigt auch die Gefahr eines Beißvorfalls. Eine wichtige Regel im Umgang mit Kind und Hund ist deshalb das Fragen, bevor eine Ressource vom Hund angefasst wird. Umgekehrt empfehle ich übrigens, dem Hund zu zeigen, dass die Spielzeuge des Kindes tabu sind. Grenzen zu setzen ist für ein sicheres Zuhause unerlässlich.
 

Schmerzen als Auslöser

Schmerzen lassen nicht nur uns Menschen auf dem Zahnfleisch gehen, sondern auch unsere Hunde. Häufig wurde bei Aggressionsverhalten eine bis dahin unentdeckte Schmerzproblematik diagnostiziert. Wir kennen es von uns, mit Kopfschmerzen reagieren wir auf Bewegungen und Geräusche deutlich sensibler und gereizter als in gesundem Zustand. Während wir unsere Schmerzen zeigen und artikulieren, liegt es in der Natur unserer Hunde, Schmerzen zu verstecken. Warum? Wie bei vielen ande-ren Tierarten auch, ist ein verletzter oder kranker Hund schneller angreifbar, bei der Futteraufnahme benachteiligt und über kurz oder lang dem sicheren Tod ausgeliefert. Schmerzen zu „kaschieren“ ist also eine sinnvolle Erfindung der Natur, nur macht es das Zusammenleben mit uns Menschen nicht einfacher, weil der Hund täglich sehr gefordert wird und kaum Möglichkeiten der Regeneration hat. So wirkt sich diese Schmerzproblematik stark auf das Stress- und Erregungslevel des Hundes aus. Der Hund kann zu agonistischem Verhalten oder Frust neigen und wird bei unbehandelten chronischen Schmerzen zu einem Nervenbündel. Der Schmerz als Ursache für einen Beißvorfall kann also zu einem Abschnappen/Beißen führen, wenn der Mensch versehentlich den schmerzenden Körperbereich berührt, oder aber Aggressionsverhalten begünstigen, weil „die Nerven blank liegen“. In jedem Fall ist es ratsam, regelmäßige Kontrollen beim Tierarzt UND einem Physiotherapeuten durchzuführen, weil vermutlich deutlich mehr Hunde unentdeckte Schmerzen haben, als angenommen wird.


kindundhund5Das mensch­liche „Kuscheln“ kennen Hunde nicht und empfinden es schnell als Be­drohung. Foto: Ariane UllrichRuhe und Entspannung als Teil einer effizienten Bissprävention

Eltern mit Kleinkindern oder Welpen wissen, was ursächlich für den übermäßigen Kaffeekonsum und die Augenringe ist: der Schlafentzug. Unausgeschlafen sind wir tagsüber nicht nur müde, auf Dauer macht Schlafmangel auch krank. Mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Gereiztheit und ein geschwächtes Immunsystem können die Folgen von fehlender Schlafhygiene sein. Unseren Hunden geht es sehr ähnlich. Häufig höre ich von den Haltern, dass der Hund überdreht ist und trotz enormer Auslastung nicht schlafen möchte. Woran liegt das? Ich lasse Familien gerne ein „Ruheprotokoll“ ausfüllen über einen Zeitraum von einer Woche. Bei der gemeinsamen Besprechung schaue ich in überraschte Gesichter, weil das Ruheprotokoll deutlich zeigt, wie wenig Ruhe- und Schlafpausen der Familienhund wirklich hat. Zwischen „Freizeitstress“ wie Agility, Dummy-Training, der „Arbeit“ bei zum Beispiel Einsätzen im Schul- oder Therapiehundebereich und dem Trubel Zuhause findet der Hund kaum Möglichkeiten, zur Ruhe zu kommen. Das hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Hundes. Er beginnt vielleicht, an der Leine zu zerren oder vermehrt zu bellen – im ungünstigsten Fall schnappt oder beißt er, weil er seine Ruhe haben möchte. Dieses Gefahrenpotential kann man durch konsequentes Einhalten von Ruhephasen deutlich reduzieren. Oft lieben Kinder ihren Hund aber so sehr, dass es ihnen schwerfällt, den Hund in Ruhe zu lassen. Wenn er schläft, möchten sie sich zu ihm kuscheln. Das birgt gleich mehrere Gefahren. Zum einen stört es die so wichtige Ruhephase, zum anderen kann der Hund aufschrecken und im Reflex schnappen und zu guter Letzt betritt das Kind das „Zimmer“ des Hundes, ohne vorher anzuklopfen. Häufig sind Liegeplätze für Hunde eine wichtige Ressource, ein Kind nähert sich also ohne Vorwarnung dieser Ressource. Während wir unsere Zimmertür schließen können, wenn wir schlafen, sind unsere Hunde darauf angewiesen, dass wir ihnen eine Ruhezone zur Verfügung stellen, die von Kindern und Besuchern nicht betreten wird, ohne vorher zu fragen. Eine Idee, die den Alltag erleichtert, kann eine visuelle Grenze in Form eines Seils sein, das um den Platz gelegt wird, solange der Hund ruht oder schläft. Das kann Kindern und Besuchern gleichermaßen helfen, den Hund in seinem „Zimmer“ nicht zu stören.20150506 173909Die Ohren sind zurückgelegt, der Körper angespannt, die Augen klein und der Kopf stark abgewandt. Der Hund fühlt sich sehr unwohl. Foto: Ariane Ullrich

Die Faustregel 15-20 Stunden am Tag ruhen und/oder schlafen ist eine gute Orientierungsmöglichkeit. Grundsätzlich empfehle ich lieber zu viel als zu wenig Ruhe. Straßenhunde, die über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden, zeigten neben dem Beschaffen von Nahrung vor allem eines: das Liegen. Ab und an mal ein Spiel unter Artgenossen, der Großteil der Zeit wurde aber mit Ruhen verbracht. Auch hier ist es wieder wichtig zu differenzieren. Ein Familienhund, der scheinbar ruht, während die Kinder umherspringen oder schreien, wird trotzdem strapaziert. Auch wenn die Augen geschlossen sind, nehmen Hunde über die Fibrissen und die Ohren, über die Vibration des Bodens enorm viel wahr, das kann einen erholsamen Schlaf verhindern. Es lohnt sich, das Schlafverhalten des Hundes genauer unter die Lupe zu nehmen und zu beobachten, in welchen Situationen er wirklich entspannt schläft und träumt und wann sein Körper trotz geschlossener Augen angespannt ist. Ein ausgeglichener Wach-/Schlafrhythmus ist für den Familienhund also mindestens genauso wichtig für ein entspanntes Miteinander wie für die menschlichen Familienmitglieder.
 

IMG 4421Je früher Hund und Kind sich kennenlernen, desto besser lernen sie sich verstehen. Foto: Ariane UllrichManagement ist alternativlos

Ich bin selbst Mutter dreier Jungs und weiß aus Erfahrung, dass man seine Augen nicht immer und überall gleichzeitig haben kann. Oft fehlen auch die Nerven, Kind und Kegel stetig daran zu erinnern, den Hund in Ruhe zu lassen. Das ist verständlich und menschlich. Damit das Zuhause trotzdem sicher bleibt, ist ein gutes Management im Alltag unerlässlich. Management bedeutet, vorausschauend für Sicherheit zu sorgen. Das kann ein Kindergitter sein, das Kind und Hund trennt in Momenten, in denen man physisch oder mental nicht anwesend ist, eine Hausleine, die den Hund fixiert, damit er nicht unbeobachtet zum schlafenden Kind läuft, oder eine Box, die er als seinen Rückzugsort nutzen kann. Jede Management-Maßnahme sollte mit einem Trainer besprochen und geplant werden, damit weder Hund noch Kind frustriert sind, denn Barrieren sind ungewohnt und müssen sorgsam etabliert werden.
 

Mentale Abwesenheit

Leider wird immer wieder unterschätzt, wie sehr wir auf unser Smartphone fokussiert sind. Wir Menschen sind nicht sonderlich gut in der Aufmerksamkeitsteilung, das hat zur Folge, dass wir Gefahrensituationen zwischen Kind und Hund zu spät bemerken. Wenn die Bezugspersonen lesen oder sich anderweitig beschäftigen, ist es wichtig, Kind und Hund zu trennen. Gemeinsame Interaktionen finden ausschließlich unter der Aufsicht eines Erwachsenen statt.
 

Hunde sind Jäger

Wenn Kinder mit schwersten Gewebeschäden ins Krankenhaus geliefert werden, liegt die Ursache oft im fehlgeleiteten Beutefangverhalten. Das fehlgeleitete Beutefangverhalten hat seinen Ursprung, anders als das Beißen, um sich oder etwas zu verteidigen, nicht im Aggressions-, sondern im Jagdverhalten. Das macht es auch schwer vorhersehbar. Während das Aggressionsverhalten bei einem gesunden Hund nicht sofort auftritt (sondern die Konsequenz von vorhergehenden körpersprachlichen Signalen sind, die nicht wahrgenommen wurden), so beginnt das Jagdverhalten oft plötzlich und unvermittelt. Der Hund beginnt zu hetzen, sprintet dem rennenden Kind hinterher, packt und schüttelt es. Ziel ist, die Beute zu erlegen, und das ist auch der Grund, warum die Beißattacken aus dem Jagdverhalten häufig fatal enden. Vor allem Kindern, die selbst keinen Hund haben, erkläre ich, dass Stehenbleiben und langsames Umdrehen eine sinnvollere Idee ist, als wegzurennen, damit der Hund nicht ins Hetzen fällt.

Bissprävention ist also viel mehr als nur das Verhindern eines Beißvorfalls. Ziel ist, um die Bedürfnisse des Hundes zu wissen, ihn im Alltag zu begleiten, zu schützen und zu fördern, ohne zu überfordern. Erst dann ist ein nachhaltig sicheres Zuhause und ein entspanntes Miteinander für alle Beteiligten möglich.
 

Drohverhalten bestrafen?

Der Hund fletscht die Zähne, wenn das Kind den Hund streicheln möchte. Eine gefährliche Situation, die häufig bestraft wird, damit der Hund dieses gefährliche Verhalten nicht mehr zeigt. Warum ist es problematisch, Drohverhalten zu unterbinden?

Das Drohverhalten wie Knurren, Lefzenhochziehen, Züngeln, Zähnefletschen oder Nasekräuseln gehört zum normalen Verhaltensrepertoire unserer Hunde. Es gibt uns die Chance, die Reißleine zu ziehen, bevor der Hund sein Zahnwerk einsetzt. Wird ihm diese Kommunikationsmöglichkeit genommen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als künftig direkt zu beißen, und das endet nicht selten im Krankenhaus. WENN ein Hund droht, darf das Drohverhalten nicht bestraft werden. Es ist wichtig, sich einen Fachmann zur Seite zu holen und zu analysieren, warum der Hund überhaupt drohen musste. Aggressionsverhalten dient der Regulation im Familienverband, das wird immer wieder vergessen. Es ist ein wichtiger Bestandteil der hündischem Kommunikation und als solche muss es gewertet werden. Wenn uns die Stimme genommen wird, werden wir mit unseren Händen buchstäblich begreiflich machen, was wir möchten und was nicht – der Hund „be- und ergreift“ mit seinen Zähnen.
 

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Aurea Verebes
Foto: privat

Zur Person

Aurea Verebes ist Hundetrainerin und hat sich auf das Thema Kind und Hund spezialisiert. Sie ist Autorin der Kinderbuchreihe „Verstehen, Staunen, Trainieren, Entdecken Bd. 1-3“, berät als Trainerin Familien mit Hund und ist Referentin für Bissprävention. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt dabei in der Konfliktarbeit zwischen Mensch und Hund im familiären Kontext und dem Erarbeiten von Lösungsstrategien. Sie wohnt mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden in Backnang.

Kontakt

http://www.aureaverebes.de

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