Hetzangel-Training
Die Hetz- und/oder Reizangel ist vielen Hundehaltern ein Begriff. Was man aber genau damit trainieren kann, wo sie hilft, Jagdverhalten zu kontrollieren, wofür sie nicht geeignet ist und worin sich Hetzangel und Reizangel unterscheiden, erläutert Anke Lehne in diesem Artikel.
Die Hetzangel ist ein Hilfsmittel aus der Jagdgebrauchshundeausbildung, das mittlerweile gern im Training von jagdlich ambitionierten Familienhunden verwendet wird. Sie besteht aus einem 1,5-2 m langen Stock und einer etwas kürzeren, an der Spitze befestigten Schnur mit einem begehrten Spielzeug oder Beutestück. Man kann den Hund durch Bewegung der Angel die Beute hetzen, packen und daran zerren lassen. Viele Hunde sind sehr schnell extrem begeistert von diesem Spiel. Will man es aber sinnvoll und ohne Gefährdung der Gesundheit einsetzen, gibt es einiges zu beachten.
Eine gute Hetzangel soll robust und in ihren Dimensionen dem Hund angepasst sein – die Angel muss es aushalten, wenn der Hund mit aller Gewalt zergelt. Gut geeignet für mittelgroße bis große Hunde sind gerade gewachsene Haselnuss-triebe von 3-4 cm Durchmesser und Reepschnüre von 5 mm Durchmesser oder mehr, damit der Hund sich nicht schneidet, wenn er statt der Beute die Schnur erwischt. Spielzeug oder Beute dürfen keine Metallteile enthalten und nicht so hart sein, dass der Hund sich daran verletzen kann (Zähne!).
Viele Hunde rennen quasi blind der Beute hinterher, achten nicht mehr auf die Umwelt. Die genutzte Fläche muss daher ausreichend groß sein: mindestens doppelter Radius der Angel mit ausgelegter Schnur. Da der Hund weitere Bögen läuft, als die Angel in Bewegung beschreibt, und sein Bremsweg durch die hohe Geschwindigkeit deutlich länger ist, dürfen sich keine Hindernisse im Spielbereich befinden (Bäume, Mauern, starke Unebenheiten oder Mau-selöcher im Boden). Der Untergrund muss weich, griffig und am besten federnd sein, kein Asphalt, Beton oder Schotter. Vorsicht bei Kunststoffbelag (hier drohen Verbrennungen) und nassem Gras (Rutschgefahr). Auch unbeteiligte Dritte sollten nicht versehentlich in den Aktionsbereich geraten.
Abgrenzung Reizangel
Die Reizangel ist ebenfalls ein Hilfsmittel in der Jagdhundeausbildung. Sie besteht aus einem sehr dünnen Trieb oder einer leichten Angelrute, einer für den Hund kaum sichtbaren Angelschnur und einem Federspiel oder Flügel vom Federwild. Die Verbindung zwischen Reiz und Mensch soll der Hund hier möglichst NICHT haben. So werden junge Vorstehhunde angereizt, in höherem Bewuchs auf Geruch oder minimalste Bewegungsreize zu verharren und dem langsam wegziehenden Wild in Zeitlupentempo nachzuschleichen. Im fortgeschrittenen Training lernen sie, bei plötzlich auffliegendem Wild an Ort und Stelle zu verharren.
Hetzen geht auf die Gelenke
Der Hund wird beim Arbeiten mit der Angel körperlich sehr stark belastet. Es kommt zu plötzlichen Sprints, blitzartigen Richtungswechseln, harten Stopps. Manche Hunde überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten völlig und verlieren die Kontrolle, rutschen aus, überschlagen sich. Das sollte zwar durch entsprechendes Handling der Angel verhindert werden, ist aber nicht auszuschließen. Daher muss der Hund körperlich völlig gesund sein: Er darf keine Gelenkserkrankungen, Probleme mit der Wirbelsäule oder dem Herz-Kreislauf-System haben. Aufgrund der körperlichen Belastung und der hohen Erregung ist die Hetzangel nicht für die tägliche Beschäftigung geeignet!
Grundsätzlich muss jeder Hund vor dem Training aufgewärmt werden: Einige Minuten strammes Laufen, leichtes Joggen und Dehnübungen vorab sind Pflicht. Nach dem Training folgt ein entsprechendes Cool-down: einige Minuten zügiges Gehen und schließlich langsames „Auströdeln“. Ich empfehle, zum Abschluss einen Kauartikel zu geben, mit dem der Hund längere Zeit beschäftigt ist. Die Hatz ist ein extrem erregender Teil der Jagdverhaltenskette und diese Erregung klingt besser ab, wenn der Hund die Endhandlung (Fressen der Beute) ausleben kann.
Richtig spielen muss gelernt sein
Im Spiel darf man auch mal erfolgreich sein und die Beute packen.
Wie baut man nun das Spiel mit der Angel auf, damit der Hund so richtig Spaß daran entwickelt? Erster Grundsatz: Beute flieht! Die Bewegung erfolgt also anfangs immer vom Hund weg. Etwas, das auf den Hund zukommt, ist keine Beute, sondern ein potentieller Angreifer und eine mögliche Bedrohung. Wenn der Hund sich sicher fühlt, kann die Beute auch mal kurz auf ihn zu bewegt werden. Zweiter Grundsatz: Der Hund muss sich gute Chancen ausrechnen, die Beute erwischen zu können, damit er mit Feuereifer dabeibleibt! Dazu wird das Spielzeug entweder knapp vor seiner Schnauze bewegt oder immer wieder angehalten, damit der Hund den Zugriff versuchen kann. Bewegt sich das Objekt zappelnd und zuckend, ist es noch attraktiver. Je zurückhaltender der Hund in der Verfolgung noch ist, desto schneller und häufiger soll er die Beute erobern können.
Bis jetzt handelt es sich nur um ein Spiel – Impulskontrolle oder das Befolgen von Hörzeichen sind hier noch nicht gefragt. Sinnvoll ist jedoch der Einsatz eines Startsignals zur Hatz („Pack’s!“). Ohne dieses Signal findet niemals eine Verfolgung statt, denn ich möchte nicht, dass der Hund lernt, jedes sich schnell bewegende Ding zu ergreifen.
Ein Hund muss lernen, es auszuhalten, dass sich die „Beute“ bewegt. Er darf erst gehen, wenn der Halter das Signal dafür gibt.Impulskontrolle lernen
Neben Spiel und Spaß bietet die Hetzangel auch eine verbesserte Differenzierung: schnelle Bewegung + „Pack’s!“ bedeutet „Attacke“ – schnelle Bewegung ohne Freigabe heißt „ignoriere es“. Der Hund lernt, sich bei verlockenden Reizen zurückzuhalten und im Optimalfall seinen Besitzer um Erlaubnis zu fragen (Impulskontrolle). Dazu wird der Hund stationiert („Sitz!“ oder „Platz!“ sollte er mit leichter Ablenkung können). Dann wird die Angel präsentiert und ganz sachte bewegt. Hält der Hund seine Position, gibt es die Freigabe: Das Spiel beginnt. Löst der Hund vorher aus, stoppt die Bewegung der Angel, die Beute wird gesichert, der Hund erneut positioniert. Nach und nach werden die Bewegungen der Beute vor dem Hund immer schneller, zackiger, die Beute läuft enger am Hund vorbei. Soll der Hund vor dem Start „fragen“ (den Hundeführer ansehen), wartet man, bis er es von selbst tut, und bestätigt mit „Pack’s!“ oder hilft mit einem leisen Geräusch. Im nächsten Schritt wird der Hund nicht mehr stationiert, sondern kann sich frei bewegen. Die Bewegungen der Beute werden dann jedoch wieder deutlich minimiert. So gehe ich auch vor, wenn der Hund sich mehrmals nicht beherrschen konnte – er soll regelmäßig Erfolg haben, damit der Frust nicht zu groß wird.
Manche Hunde sind so wild auf die Beute, dass sie sich kaum beherrschen können. Also fängt man mit kleinsten Bewegungen an, behält die Beute gegebenenfalls sogar in der Hand. Keinesfalls darf der Hund mit Geschirr und langer Leine gegen Einspringen gesichert werden, denn wenn er einspringt, kann er böse auf den Rücken fallen! Schleppleinen sind bei diesem Spiel extrem gefährlich, schnell steht der Mensch in einer Schlaufe.
Neben der Impulskontrolle kann man auch die Umsetzung von Stopp-Signalen in hoher Erregung/Geschwindigkeit mit der Angel üben, auch hier fängt man klein an (langsame Bewegungen). Das Signal kommt gleich nach dem Start, noch bevor der Hund auf voller Geschwindigkeit ist, bei gleichzeitigem Stopp der Beute. Hat der Hund das Signal gut ausgeführt, wird er zur Belohnung gleich wieder freigegeben. Später wird das Signal bei höherer Laufgeschwindigkeit, knapper hinter der Beute, bei schneller bewegter Beute gegeben.
Kontrolliert jagen ist an der Hetzangel erlaubt.Auch der Abruf aus der Hatz lässt sich so üben. Hierfür braucht man allerdings einen Helfer und eine zweite Angel mit etwas weniger beliebter Beute. Zunächst spielt der Helfer mit dieser aus Hundesicht minderwertigeren Angel mit dem Hund. Der Hundebesitzer steht etwas abseits mit der besseren Angel, hält die Beute aber verdeckt. Kommt der Hund in Richtung des eigenen Menschen, pfeift oder ruft dieser seinen Hund und bringt zeitgleich die wertvollere Beute ins Spiel. Und weiter geht die Hatz!
Viele jagdbegeisterte Hunde lieben die Hetzangel. Eine Ausnahme sind Hunde aus dem Auslandstierschutz: Sie haben oft sehr schlechte Erfahrungen mit Menschen und langen Stöcken gemacht. Fremdpersonen meiden sie meist ganz, manchmal klappt es mit der Bezugsperson, wenn diese die Angel tief am Boden und nur vom Hund weg bewegt. Bei anderen muss man ganz auf den Stock verzichten und kann nur mit Schnur und Beute agieren. Für manche Hunde sind selbst die nötigen Körperbewegungen noch zu bedrohlich – hier verzichte ich lieber ganz auf die Angel.