Scheren oder nicht? - Die richtige Fellpflege bei Hunden
Scheren oder nicht? Bürsten oder trimmen? Selber machen oder zum Profi gehen? Die Diskussion um die Fellpflege beim Hund kann hohe Wellen schlagen. Wir haben den Profi gefragt. Hundefriseur Tobias Bachmann beantwortet ausführlich unsere Fragen rund um die hündische Fellpflege.
Tobias: Ich als Hundefriseur frag eher die Leute: „Wollt ihr euren Hund scheren lassen oder nicht?“ Denn da sollten die Hundebesitzer sich selbst fragen, ob diese Behandlung in Frage kommt. Ich als Friseur habe ja eher eine geringe Hemmschwelle, Haare abzuschneiden, da ich Veränderungen immer spannend finde. Falls sich die Hundebesitzer nicht entscheiden können, erkläre ich die Vor- und Nachteile.
In den letzten 100 Jahren hat sich bezüglich der Fellpflege übrigens viel getan bei unseren geliebten Vierbeinern. Nicht nur körperlich hat sich viel verändert, sondern auch, was das Fell betrifft. Ich muss immer schmunzeln, wenn die Leute sagen, dass ja unserer Hunde Natur alles von allein regelt. Dabei entsprechen unsere Haushunde so gar nicht mehr ihrer ursprünglichen Optik. Unsere Hunde wurden in den letzten Jahrzehnten immer mehr auf Aussehen gezüchtet. Dabei blieb der Aspekt für die Arbeit oft völlig außen vor. Was das aber felltechnisch mit sich bringt, ist gravierend. Denn früher, wenn ein Hund zur Arbeit eingesetzt wurde, benötigte er auch ein bestimmtes Fell, damit er diese Arbeit überhaupt ausführen konnte. So benötigte ein Hirte, der einen Bearded Collie für die Arbeit nutzte, früher einen Hund, der ein robustes und pflegeleichtes Fell aufwies. Einen Hund, der mehrmals die Woche gekämmt werden musste, weil sein Fell sonst verfilzt wäre, hätte keinen Nutzen für den Hirten gebracht. Dieses Beispiel lässt sich so gut wie bei jeder Rasse fortsetzen. Dass sich die nötige Fellpflege verändert hat, ist logisch, denn wenn ich für die Ausstellung sehr voluminöses und langes Fell brauche, muss ich das Fell der Hunde weicher züchten. Sonst würde es ab einer bestimmten Länge brechen. So ist es auch der Fall, dass Hunde, die früher keine Pflege benötigten, jetzt nicht mehr ohne diese auskommen. Wenn man sich Bilder der Rassen von heute und von damals anschaut, möchte man oft meinen, dass es sich hierbei nicht um dieselbe Rasse handelt.
Tobias: Nach dem Scheren sollte das Fell auch auf jeden Fall wieder so nachwachsen, wie es vorher war, denn man schneidet nur Haar. Es wäre ja genauso komisch, wenn ihr zum Friseur geht und nach dem Schnitt verändert sich eure komplette Haarstruktur. Wie das Haar wächst, bestimmt das vererbte Genmaterial und nicht der Schnitt. Sollte das Haar nicht mehr so nachwachsen, stimmt etwas nicht. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Organ nicht mehr richtig arbeitet oder eine Allergie vorhanden ist. Es ist auch möglich, dass der Hund einen Parasiten in sich hat. Auch spielen Medikamente eine Rolle oder das Alter des Hundes. Bei manchen Mischlingen ist die Verpaarung der Elterntiere auch nicht ideal, was das Fell angeht. Es gibt noch viele Faktoren, die das Fell beeinflussen können, so wird auch Stress unterschätzt. Ein durch Stress bedingter erhöhter Adrenalinspiegel kann das Fell verändern. Denn Adrenalin und das Hormon Melanin (Melanin ist verantwortlich für die Färbung von Haut, Haaren und Federn) sind in ihrem molekularen Aufbau sehr ähnlich. Dieses Phänomen ist gut bei männlichen Löwen zu beobachten. Sind diese Tiere enormem Stress ausgesetzt, schwindet ihre prachtvolle Mähne. In stressarmer Umgebung wird sie noch prachtvoller.
FH: Wie lange dauert es, bis das Fell wieder komplett nachgewachsen ist?
Tobias: Hier spielen die Rasse und der Schnitt eine große Rolle. Auch wie viel Pflege der Besitzer leistet. In der Regel kann man sagen, dass das Friseurintervall in etwa 8-12 Wochen beträgt. Für manche Rassen genügt es auch, sie 1-2 im Jahr zu scheren. Schert man zum Beispiel einen Pudel, ist das Fell in 8-12 Wochen wieder da. Schert man hingegen einen Collie, kann man schon gut mit 4-5 Monaten rechnen. Vorausgesetzt, das Tier ist gesund.
Tobias: Im Großen und Ganzen stimmt das schon. Entscheidend ist aber, wie gepflegt das Fell ist. Ein Beispiel gibt uns hier auch die Natur. Felllänge hat nichts mit Schutz vor Kälte oder Wärme zu tun. So hat ein Eisbär oder Polarfuchs kein meterlanges Fell. Das Gleiche gilt für die Hitze. Schauen wir uns die Tiere in Afrika oder Australien an, deren Fell auch kurz ist. Wichtiger ist die Struktur und die Pflege des Felles. Wenn ein Afghane langes, gut gepflegtes Fell hat, was locker und luftig hängt, ist alles perfekt. Dann kann Luft durch das Fell an die Haut gelangen und diese etwas kühlen. Ist jedoch das Fell verfilzt, ist eine Zirkulation an der Haut schlecht bis nicht möglich.
Die meisten werden das mit einer Wärmekamera aufgenommene Wärmebild kennen. Bei diesem Bild ist ein Teil des Hundes geschoren und der andere ist unverändert. Die Wärmetextur des Bildes zeigt bei dem geschorenen Teil eine höhere Oberflächentemperatur als bei dem nicht geschorenen Teil des Hundes. Die meisten werden jetzt zur Schlussfolgerung kommen, dass Scheren schlecht sei, da der Hund an den geschorenen Stellen heißer ist. Das ist jedoch ein Denkfehler. Die abgegebene Wäre ist am ge-schorenen Teil einfach besser sichtbar. Dort, wo der Hund nicht geschoren ist, staut sie sich unter dem Fell an der Haut. Wenn ich mir im Sommer eine Winterjacke anziehen würde und von mir dann ein Wärmebild erstellen würde (was ich übrigens gemacht habe), käme das Gleiche heraus. Der Teil meines Körpers, an dem die Winterjacke ist (und der schwitzt!), weist eine geringere Tem-peratur auf als der Rest meines Körpers. Wäre es deshalb besser, im Sommer eine Winterjacke zu tragen?
FH: Welche Hunde sollten eventuell auf keinen Fall oder auch auf jeden Fall geschoren werden?
Tobias: Welche Hunde auf keinen Fall geschoren werden sollten, kann man pauschal nicht sagen, da es viele Faktoren zu berücksichtigen gilt. Ich würde eher sagen, bei welchen Rassen ich das Scheren nicht empfehle. Bei allen Rassen mit viel Unterwolle und einem langen Fell würde ich eher davon abraten. Hier sind die Hauptgründe die Optik und die Dauer, bis das Fell wieder komplett nachgewachsen ist.
Aber auch bei solchen Rassen kann es Faktoren geben, die für eine Schur sprechen. Gründe können z. B. das Alter sein. Auch kann der gesundheitliche Zustand des Tieres dafür sprechen. Es sollte aber immer abgewogen werden und bei jedem Hund individuell geschaut werden, ob scheren sinnvoll ist oder nicht. Welche Hunde geschoren werden müssen, kann man genau so wenig sagen. Aber es gibt Rassen, bei denen das Scheren keinerlei Probleme darstellt, nämlich bei allen Hunden, die keine Unterwolle aufweisen. Das Musterbeispiel ist der Pudel, bei dem der Besitzer keinen Ausstellungsschnitt möchte. Hier gilt auch wieder: nur weil ein Verband einen Standard für seine Ausstellungen vorschreibt, muss der Besitzer sich nicht daran halten.
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Tobias: Das Fell der Hunde kann grob in 4 verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Rauhaar, Glatthaar, Haarkleid mit Unterwolle, Haarkleid ohne Unterwolle. Rauhaarige Rassen werden getrimmt, geschnitten, effiliert, geschoren. Bei Glatthaarhunden wird ausgekämmt (mit speziellen Werkzeugen), auch effiliert, und hier und da kann etwas getrimmt werden. Das Fell von Hunden mit viel Unterwolle wird ausgebürstet, etwas effiliert und in Form geschnitten. Ist keine Unterwolle vorhan-den, muss auch gebürstet werden und das Fell je nach Wunsch geschnitten. Das alles ist natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt. Es kann auch Ausnahmen bei jeder Rasse geben und bei Unklarheiten sollte immer ein Hundefriseur um Rat gefragt werden.
Tobias: Handelt es sich um einen Hund, der auf Pflege angewie-sen ist, wie z. B. Bobtail, Pudel, Havaneser etc., würde dieses Tier früher oder später darunter leiden. Wir alle kennen Bilder von Hunden, bei denen der Verfilzungsgrad so fortgeschritten war, dass nur noch Abscheren geholfen hat. Diese Tiere fühlen sich früher oder später unwohl in ihrer Haut, da es auch zu einer Behinderung führen kann. Ich habe schon etliche Hunde gesehen, die nicht mehr richtig koten konnten, weil der After so voller Haare war, dass alles ins Fell ging. Auch pinkelten sich viele Hunde ständig an, weil man vor lauter Wolle gar nichts anderes mehr treffen kann. Schlimm wird es meiner Meinung nach, wenn sogar Sinnesorgane betroffen sind. So ist es nicht selten, dass die Hunde, weil es ein Verband verlangt, nichts mehr sehen aufgrund der Haare vor den Augen. Begründet wird das mit der Aussage, dass es die Augen schütze. Das ist natürlich nicht richtig. Ein Hund ist darauf angewiesen, etwas sehen zu können und mit den Augen kommunizieren zu können, und Haare vor den Augen verhindern das.
FH: Was genau ist „Scheren“ eigentlich und worin unterscheidet es sich von Trimmen oder anderen Haarbehandlungen?
Tobias: Das Scheren an sich ist nichts anderes, als mit einer Schermaschine das Fell auf eine gleiche Länge abzurasieren. Über die Länge entscheidet der Besitzer, der Friseur oder das Fell des Hundes. Allerdings gibt es Grenzen. So ist es z. B. schwer, einen nicht gut gepflegten Bichon Frisé oder einen Bobtail mit einem 12 mm oder 16 mm Scherkopf zu rasieren. Hier liegt es an den fachlichen Kenntnissen des Hundefriseurs, was machbar ist oder nicht. Beim Trimmen hingegen wird mit speziellen Werkzeugen oder den Fingern das Fell ausgezupft (auf eine bestimmte Länge getrimmt). Trimmen kommt vor allem bei rauhaarigen Hunden vor wie z. B. Foxterrier, Cairn Terrier, Rauhaardackel etc. Wichtig ist, dass das Tier das Trimmen schon von Anfang an kennt. Genauso sollte der Hund eine gewisse Robustheit im Fell aufweisen, weil zu weiches Fell nicht getrimmt werden kann, da das zu sehr wehtut. Es kann nämlich gut vorkommen, dass z. B. ein Airedale-Terrier, der eigentlich von seinem Rassebild her getrimmt werden würde, nicht trimmbar ist, wenn er zu weiches Fell durch die Zucht aufweist.
Beim Behandeln mit Schere und Kamm wird das Fell viel gebürstet und, falls bei der Rasse vorhanden, Unterwolle ausgekämmt. Dann wird geschaut, ob Verfilzungen vorhanden sind. Falls ja, werden diese ausgekämmt oder geschnitten. Die Länge bestimmt der Kunde. Hier kann man sich ruhig auch mal austoben, denn meiner Ansicht nach sind die Rassebilder, wie sie von verschiedenen Verbänden gezeigt werden, keine Pflicht. Egal ob es sich um einen Pudel oder einen Riesenschnauzer handelt, Rassebilder können durchaus den eigenen Wünschen angepasst werden. Ich persönlich vergleiche Ausstellungsschnitte immer mit Models auf dem Laufsteg, diese müssen auch einem gewissen Erscheinungsbild entsprechen.
FH: Kann ein Hundehalter seinen Hund auch selbst scheren oder braucht man dafür spezielles Wissen und Werkzeug?
Tobias: Prinzipiell kann schon jeder Hundebesitzer seinen Hund scheren. Erfahrungsgemäß kann ich jedoch sagen, dass es sich die meisten Hundebesitzer leichter vorstellen, als es ist. Sollte jemand den Versuch starten, empfehle ich, einige Vorkehrungen zu treffen. A und O ist das richtige Werkzeug. So sollte eine Tierscher-maschine vorhanden sein sowie ein Tisch, der nicht wackelt und eine rutschfeste Tischplatte hat. Ich würde den Tisch auch in eine Ecke stellen, so dass der Hundebesitzer nicht auf vier Seiten aufpassen muss. Es kann auch eine Hilfe sein, wenn man den Hund in Etappen schneidet. Ich rate immer, sich kleine Ziele zu setzen, z. B. Montag den Rücken und die beiden Hinterbeine. Dienstag die Vorderbeine und den Schwanz und am Mittwoch den Kopf. Denn meistens wollen die Besitzer alles auf einmal durchziehen und überfordern sich und den Hund. Einen Gefallen tun sich die Besitzer auch, wenn sie das Tier vorher mit einem Tiershampoo baden. So entfernen sie Fette, Dreck und Talk, die den Vorgang des Scherens enorm erschweren. Der Hund lässt sich so nicht nur leichter behandeln, sondern das Werkzeug hält auch länger.
FH: Worauf muss man beim Scheren besonders achten?
Tobias: Auf gar keinen Fall sollte man zu kurz scheren, es sollte niemals die blanke Haut sichtbar sein. Auch an bestimmten Körperpartien ist Vorsicht geboten. Überall wo Hautfalten sind, besteht die Gefahr, den Hund zu schneiden. Man wird dem Hund zwar keine Gliedmaßen abtrennen, aber für manche Hunde ist der Spaß dann vorbei. In den meisten Fällen sollte auch immer mit der Wuchsrichtung rasiert werden. Ansons-ten heißt es: üben, üben, üben.
FH: Wie schafft man es, eine vernünftige „Frisur“ hinzubekommen, wenn der Hund Angst vor der Maschine hat?
Tobias: Wenn ein Hund bei der Behandlung massive Angst hat, muss man sehr behutsam vorgehen. Maschine ist da meistens tabu, hier muss alles mit der Hand gemacht werden. Auch ist eine ruhige Art wichtig, keine Hektik, und es ist wichtig, die Reizkulisse so gering wie möglich zu gestalten. Allerdings sollte man der Angst auch nicht verfallen. Bemitleiden ist das wenigste, was der Hund braucht. Auch kann es sein, dass es ein Limit gibt. Dieses gilt es zu erkennen und gegebenenfalls noch einen weiteren Termin zu vereinbaren. Hier ist es auch von Vorteil, wenn der Hundefriseur sich gleichzeitig mit Training auskennt.
FH: Was wünschen Sie sich vom Hundehalter, wenn er mit seinem Hund zum Scheren zu Ihnen kommt ?
Tobias: Sehr schön wäre es, wenn die Besitzer schon früh dem Hund zeigen würden, was ein Hundefriseur ist. Auch sollten die Züchter die neuen Hundebesitzer aufklären, was gemacht werden muss. Natürlich kann mit Welpen schon dies und das trainiert werden, um den späteren Besuch zu erleichtern. Bei uns zum Beispiel gibt es keinerlei Probleme, einen Termin zu vereinbaren, bei dem der Welpe sich umschauen darf. Hier trainieren wir mit dem Welpen und zeigen dem Besitzer, was er tun kann.
FH: Was bieten Sie als Hundefriseur noch für Leistungen an?
Tobias: Wir bieten alles rund um das Thema Fellpflege und Training an. Außerdem gehört bei uns das Kontrollieren der Krallen dazu. Sowie mal in die Ohren schauen und natürlich das Baden. Analdrüsen kontrollieren wir auch. Bei uns kann sich auch jeder beraten lassen, wie er seinen Hund zu pflegen hat und welche Werkzeuge am besten geeignet sind. Des Weiteren ist es möglich, uns für ein zweitägiges Seminar zu buchen, bei dem alles rund um das Thema Fellpflege erklärt wird.
                                                                                
								