Hurra, ich bin schwanger! Was heißt das für unseren Hund?
Erst Kinder, dann Hund. Das war vor 30 Jahren eine gängige Empfehlung. Heute geht der Trend dahin, dass Pärchen sich noch vor dem ersten Kind für einen Hund entscheiden – quasi als Testlauf für die gemeinsame Erziehungsarbeit. Wenn sich dann das erste Baby ankündigt, tauchen viele Fragen auf. Die beiden Programme Dogs & Storks und Dogs & Babies laufen seit 20 Jahren in den USA und inzwischen auf vier Kontinenten. Sie liefern Antworten und begleiten durch Praxistraining. Was sind die häufigsten Fragen, die wir von jungen Familien gestellt bekommen?
1. „Unser Hund ist ein Pitbull / Chihuahua / Deutscher Schäferhund. Müssen wir uns Sorgen machen?“
Besitzer von großen, starken Hunden belächeln meistens, wenn ein Kleinsthundebesitzer diese Frage stellt. Dabei sind kleine Hunde empfindlicher gegenüber tollpatschigen Kinderhänden: Für einen Papillon fühlt es sich vielleicht an, als wäre ihm beinahe der Kopf weggefegt worden; die identische ungeschickte Bewegung einer Kinderhand bei einem Rottweiler führt nur dazu, dass er sich schüttelt und dann wieder entspannt hinlegt. Kleinsthunde erleben Kinderbewegungen mächtiger und kräftiger als ihre größeren Artgenossen. Darauf sollten seine Menschen unbedingt achten, wenn Kind und Hund miteinander interagieren.
Beagles, die Retrievergruppe und einige andere Rassen sind angeblich von Natur aus kinderlieb. Das ist eine gefährliche Scheinsicherheit, die leider von machen Zuchtclubs weiterhin aufrechterhalten wird. Der Hund ist ein Hund, egal welcher Rasse er angehört, und es sollte von ihm erwartet werden, dass er sich wie ein Hund benimmt. Jeder Hund hat Zähne im Mund, die er auch gebrauchen wird, wenn er zu oft zu stark überfordert wird. Kein Hund der Welt bleibt kinderlieb, wenn er mit einem Kind immer wieder schmerzhafte oder erschreckende Erfahrungen macht. Dafür müssen Sie als Eltern seine individuellen Belastbarkeitsgrenzen achten und Ihre Kinder lehren, diese Grenzen zu achten.
„Unser Hund ist aus dem Tierschutz oder steht auf der Liste der gefährlichen Rassen – heißt das automatisch, dass wir ihn abgeben müssen?“ – klares Nein. Nur weil Ihr Hund seine Welpenzeit anderswo verbracht hat, muss er bei Familienzuwachs nicht sein Zuhause verlieren. Die Herkunft eines Hundes entscheidet nicht über seine Fähigkeiten als Familienhund, sondern ganz andere Kriterien, etwa sein Gesundheitszustand. Akute oder chronische Schmerzen reduzieren die Toleranzschwelle eines jeden Hundes. Leider bleiben Zahnschmerzen und Co. manchmal lange unbemerkt, und ein ausführlicher Gesundheitscheck beim Tierarzt während der Schwangerschaft macht Sinn. Hunderassen der Qualzuchtliste haben so häufig massive gesundheitliche Probleme und Einschränkungen, dass sie es im Leben generell, aber eben auch als Familienhunde besonders schwer haben.
2. „Geburtsvorbereitung“ für Hunde, gibt es so etwas? Sinnvolle und weniger sinnvolle Ideen für angehende Familienhunde
Diese Idee gibt es nur für Neugeborene in der Familie, sonst eher nicht. Bitten wir Gäste, dass sie vor ihrem Besuch ihre getragene Unterwäsche mit der Post schicken, damit sich der Hund an ihren Geruch gewöhnen kann? Wenn ein Hund dieses Ritual für neue Menschen in seinem Leben kennen würde, dann würde es auch beim Baby Sinn machen. Doch so lernen Hunde neue Menschen nicht kennen.
Grundsätzlich ist die Windelmaßnahme nicht schädlich, sofern dieser neue und einzigartige Geruch positiv und mit Ruhe verknüpft werden kann. Z. B. wäre es eher schädlich, mit dieser Windel ein wildes Zerrspiel mit dem Hund zu veranstalten – wir wollen keinesfalls haben, dass der Hund den Babygeruch mit einem Zerrspiel assoziiert! Sollte Ihr Baby schon geboren sein und Sie haben vorweg keine Windel gebracht, ärgern Sie sich nicht: Ob Hund und Kind eine gute Beziehung haben werden oder nicht, hängt nicht von einer einzigen Maßnahme ab. Stabile, gute Beziehungen entstehen durch viele, viele positive Erfahrungen miteinander, nicht durch eine einzige Maßnahme.

Die gute Nachricht ist: Neun Monate Zeit zu üben reichen in den allermeisten Fällen aus, um Manieren aufzupolieren oder neu zu erarbeiten. Das Feilen am guten Benehmen Ihres Hundes klappt am besten über positive Verstärkung, denn dann wird Ihr Hund die neu gewonnene Trainingszeit als Qualitätszeit mit Ihnen genießen. Je besser seine Manieren sind, desto harmonischer wird die Babyzeit und desto leichter lässt sich der Hund in den Alltag integrieren, was wieder dem Hund zugutekommt – eine positive Spirale.
3. „Es ist in den letzten Tagen sehr stressig mit Hund und Baby. Ich grüble viel darüber, ob unser Hund anderswo nicht besser dran wäre. Hilfe!“
- Der Abgabeimpuls tritt unabhängig davon auf, ob der Hund tatsächlich Verhaltensprobleme hat. Er tritt nicht nur auf, wenn ein Hund ein Kind gebissen hat, sondern auch bei „ein bisschen Leinenzerren“ oder „manchmal hochspringen“.
- Er tritt bei Hundebesitzern auf, die noch nie eine Hundeschule besucht haben, und genauso bei professionellen TrainerInnen, die viel Wissen um Tiere und Training bei Problemverhalten haben.
Hunde reagieren sehr wohl auf Veränderungen. Das kann sich auch im Verhalten widerspiegeln. Nutzen Sie die Zeit vor der Geburt. Foto: Vagengeym – stock.adobe.com
4. „Im Ernst? Wir sollen Hund und Kind immer beaufsichtigen?! Wie soll denn das gehen bitte?“
„Wir haben den Biss nicht kommen sehen“, ist der Satz, den die allermeisten Eltern und Hundebesitzer nach einem Bissunfall mit einem Kind sagen. Selbstverständlich haben Sie das nicht. Hätten Sie kommen sehen, dass der Hund ein Problem mit der Situation hat, hätten Sie den Unfall verhindert – etwa durch Auflösen der Interaktion. 100 % wachsame Beaufsichtigung von Hund und Kind durch einen sachkundigen Erwachsenen wird vielfach empfohlen, weil Situationen von harmonisch innerhalb einer Sekunde zu angespannt wechseln können. In einer Laborsituation ist das leicht, bloß leben wir mit unseren Schul-, Kindergarten- und Krabbelkindern nicht im Labor, sondern in der echten Welt im realen Alltag – da gibt es immer Überraschungen. Dazu kommt noch, dass die Anwesenheit eines Erwachsenen allein Unfälle nicht verhindern kann, wenn die Aufsichtsperson nicht weiß, wonach sie Ausschau halten muss. Dass Hunde Unmut durch Knurren oder Zähnezeigen kundtun, weiß hoffentlich jeder Hundehalter – das würde in Menschensprache etwa einem „Jetzt reicht’s aber! Lass mich!“ entsprechen. Klar kann ein Hund nicht sagen: „Liebe Anna, bist du so lieb und lässt mich jetzt mal ein paar Minuten schlafen? Ich bin ehrlich müde, später lasse ich mich gern wieder von dir streicheln.“ Dennoch senden auch Hunde subtile Stresssignale, bevor sie deutlicher werden. Über diese Signale zu lernen, sie auf Bildern und in Filmsequenzen zu erkennen üben und lernen, wie man adäquat darauf reagiert, ist wichtiger Bestandteil der Elternbildungsprogramme Dogs & Storks und Dogs & Babies.
Wenn Sie einen Babysitter engagieren, erwarten Sie nicht, dass er Kind und Hund so gut einschätzen kann wie Sie als hundehaltende Eltern. Bringen Sie Hund und Kind am besten getrennt unter: das Baby bei Oma und den Hund beim Nachbarn.
Für die Zeit, in der kein Erwachsener aktiv Kind und Hund beaufsichtigen kann, sollte man sich Management-Maßnahmen überlegen, sodass Hund und Kind keinen freien Zugang zueinander haben. Das kann man durch Raumabtrennungen, Kindergitter, Boxen und vieles mehr erreichen. Wichtig dabei ist, dass der Hund nicht „weggesperrt“ wird, sondern lernt, sich in seinem Rückzugsort zu entspannen. So wird kinderfreie Zeit für den Hund eine Oase der Ruhe, um später wieder für gemeinsame Aktivitäten fit zu sein.
Wie ist Ihr Plan?

Ihr Sohn ist in der Wiege eingeschlafen. Sie möchten die Zeit nutzen und am Computer arbeiten, sodass Sie mit dem Rücken zu ihm und zum Hund sitzen. Schicken Sie den Hund aus dem Raum? Oder rollen Sie lieber die Wiege aus dem Zimmer und schließen eine Tür, während der Hund bei Ihnen im Zimmer bleibt? Oder leinen Sie den Hund am Schreibtisch an, damit Sie merken, wenn er sich neugierig und auf leisen Sohlen Richtung Kind aufmacht?
Es kommen mehrere Babys mit Müttern aus der Krabbelgruppe zu Besuch. Was machen Sie in der Zeit mit dem Hund? Bedenken Sie dabei auch die Wohlfühl-Zonen der anderen Mütter. Nicht jede schätzt es, wenn Ihr Hund über ein Baby steigt, oder findet es süß, dass Ihr Hund Schnuller abschleckt.
Ab dem Alter von neun Monaten beginnt Ihre Doppelrolle: Sie sind nun Hundeerzieher und Kindererzieher. Kleinkinder brauchen viele, viele Wiederholungen, bis Regeln zu Gewohnheiten werden. Stellen Sie sich darauf ein, dass Ihr Kleinkind nicht nach der ersten Erklärung zuverlässig befolgen wird, nicht auf oder in den Rückzugsort Ihres Hundes zu krabbeln. Es ist Ihre Aufgabe als Mutter oder Vater, daran tausendfach zu erinnern: in Worten und auch dadurch, dass Sie Ihr Kind rechtzeitig vor dem Rückzugsort des Hundes stoppen. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind den Hund nicht verfolgt oder stört.