Locker an der Leine
Neben dem funktionierenden Rückruf ist das ordentliche Gehen an der Leine vermutlich einer der größten Wünsche vieler Hundebesitzer an ihren Hund. Ariane Ullrich stellt ihre Trainingsansätze vor, um mit dem Hund locker an der Leine unterwegs zu sein.
So einfach, wie es klingt, ist es meist weder für den Hund noch für den Halter. Während der Hund in Ruhe links und rechts schnüffeln möchte, mal schneller und mal langsamer weitergehen möchte und überraschende Neuigkeiten findet, will der Halter das angestrebte menschliche Ziel geradewegs ohne Störungen erreichen.
Diese unterschiedlichen Ziele und Motivationen führen zu Missverständnissen und Ärger auch auf beiden Seiten und einer Verbindung, die Hilfe bedarf.
Oft wird die Leine aus menschlicher Sicht genutzt, um sich gedanklich mit anderen Dingen befassen zu können als mit seinem Hund. Sie verhindert ja, dass er abhandenkommt, sich verletzt oder Dinge anstellt, die seinem Menschen nicht gefallen.
Ähnlich gilt das übrigens auch für den Hund. Auch dieser ist durch die Leine körperlich verbunden und muss eben nicht mehr darauf achten, wo sein Mensch ist und was dieser tun wird. Das spürt er körperlich, der Kopf ist woanders. Es gibt verschiedene Gründe, warum Hunde sich an der Leine so gehen bzw. ziehen lassen. Oft haben sie es nicht gelernt, langweilen sich, haben sogar Angst vor der Leine oder aber sie haben gelernt, dass sie nur mit Gegenzug wirklich vorwärtskommen.
Während man bei Angst vor der Leine mit noch vielen weiteren Übungen starten kann, ist das Grundprinzip bei fast allen anderen Ursachen immer dasselbe: Du kommst fast immer dahin, wohin du möchtest, wenn du ein paar Gehirnzellen mir und der lockeren Leine widmest.
Doch bevor wir uns auf dieses Grundprinzip konzentrieren, gilt es, die Nebenbedingungen zu beleuchten.
1. Beachten der Grundbedürfnisse des Hundes
- Wenn der Hund genügend Bewegung hatte. Also entweder nach einer Freilaufeinheit oder am Ende des Spaziergangs oder nach einer Spieleinheit
- In einer Gegend, die nicht übermäßig interessant ist
- Wenn gewährleistet ist, dass parallel dazu der Hund genügend körperlich ausgelastet werden kann. Durch Freilauf, Training und ausreichend lange Beschäftigung
2. Hilfsmittel für das Management
Gerade bei sehr großen und schweren Hunden ist es wichtig, das Kräfteverhältnis so zu beeinflussen, dass der Mensch den Hund gut halten und dennoch trainieren kann. Außerdem braucht es Hilfsmittel, um konsequent trainieren zu können. Weder Hund noch Halter(in) schaffen es, schon zu Beginn des Training 24 Stunden am Tag so aufmerksam zu sein, wie es notwendig ist. Es ist auch fast unmöglich für junge Hunde oder besonders ungestüme Hunde, sich von Anfang an so lange zu beherrschen, wie es am Tag notwendig ist. Aus diesem Grund ist eine Trainingszeit notwendig. Diese wird für den Hund sichtbar gemacht, indem das Hilfsmittel die Trainingszeit ankündigt.
Ein solches Hilfsmittel kann das Halsband sein. Immer wenn trainiert wird, kommt die Leine an das Halsband. Wird nicht trainiert, wird der Hund am Geschirr befestigt.
Ein Hilfsmittel kann auch ein Kopfhalfter wie das Halti oder das Newtrix sein. Trägt der Hund das Kopfhalfter, weiß er, dass Training ist. Ist das Training zu Ende, wird das Kopfhalfter abgemacht. Möglich ist auch, ein ganz spezielles Geschirr zu verwenden, das man immer zum Training anlegt.
Auch die Führleine kann ein solches Sichtzeichen und Hilfsmittel sein. Im Alltag wird der Hund an der Flexileine geführt oder kann frei laufen. In der Trainingseinheit wird die feste Führleine mit mindestens 2 m (besser 3 m) genutzt.
Die Hilfsmittel, die der Hund noch nicht kennt, muss er vor dem Training der Leinenführigkeit kennenlernen. Das gilt vor allem für das Kopfhalfter, wenn es genutzt wird. Er soll es gern und ohne Angst tragen und akzeptieren.
Ein Kopfhalfter kann ein nützliches Hilfsmittel sein, wenn der Hund es tragen gelernt hat.
3. Ziel definieren
Leinenführigkeit bedeutet für viele Menschen unterschiedliche Dinge. Erfolgreich trainieren kann man nur, wenn man genau weiß, welches Verhalten der Hund wann wie lange und wo zeigen soll. In diesem Artikel geht es darum, dass der Hund sich im Radius der Leine frei bewegen darf. Er darf schnüffeln, vor oder hinter seinem Menschen laufen, kann schauen, wohin er will usw. Die Leinenlänge begrenzt diesen Radius. Sobald die Leine sich strafft, soll er sie selbständig wieder lockern, indem er in den Radius zurückkommt.
Leinenführigkeit in diesem Sinne bedeutet nicht, hinter seinem Menschen zu gehen, diesen ständig anzusehen oder nur auf Kniehöhe zu laufen.
Das Ziel des Trainings ist ein Hund, der seinen Interessen beim Spazierengehen nachgehen kann und einen Teil seiner Aufmerksamkeit darauf verwendet, darauf zu achten, ob sein Mensch etwas will, wo dieser langgeht und ob die Leine noch locker ist.
Training
Das Grundprinzip des Trainings der Leinenführigkeit ist dasselbe wie immer, wenn der Hund etwas lernen soll. Der Mensch muss sich überlegen, was der Hund will, und dieses so einsetzen, dass der Hund es bekommen kann, wenn er das tut, was der Mensch will.
Bei der Leinenführigkeit ist das Grundprinzip also recht simpel: Vorwärts geht es nur, wenn die Leine locker ist. Ist die Leine straff, geht es nicht vorwärts (dahin, wo du hinwillst). Die praktische Umsetzung ist wie immer etwas schwieriger.
Beim Menschen
Vorübungen können dem Hund helfen, die Nähe zum Menschen angenehmer zu gestalten. Ein Hund, der sich gern in der Nähe seines Menschen aufhält, lernt auch eher, locker an der Leine zu laufen. Es ist hilfreich, als Vorübung mit dem Hund das Laufen bei Fuß zu üben. Das kann bei Welpen trainiert werden, indem beim gemeinsamen Laufen alle paar Meter ein Stück Futter neben den Mensch gelegt wird. Während der Welpe frisst, geht der Mensch zwei Schritte vorwärts und legt neben sich ein Stück Futter. Der Welpe holt auf, frisst neben dem Menschen das Futter und wird sich beeilen, wieder neben seinen Menschen zu kommen. Es lohnt sich für ihn, die Nähe des Menschen zu suchen.
Oder der Hund lernt mittels freiem Formen eng am Knie seines Menschen zu laufen.
Jedes Sich hinwenden zum Menschen und Neben-diesem-Laufen wird mit Aufmerksamkeit, Futter oder anderen schönen Dingen belohnt.
Gemeinsam entspannt unterwegs mit Freiraum für beide.
An der lockeren Leine stehen
Eine weitere wichtige Vorübung ist das Stehen an lockerer Leine. Überhaupt sollte im Alltag zwingend darauf geachtet werden, dass die Leine möglichst immer locker ist. Stehen Mensch und Hund also herum und der Hund zieht irgendwohin, lockert der Mensch die Leine sofort etwas. Das kann er tun, indem er einfach nachgibt. Das geht nur solange der Hund damit nicht zu seinem Ziel kommt. Sonst lernt er ja, mit dem Ziehen Erfolg zu haben. Alternativ kann der Mensch seinen Hund einen Zentimeter an der Leine zurücknehmen, um sie dann sofort wieder zu lockern.
Ziel ist es, dass der Hund sich nicht in die Leine legen kann, sondern sein Gleichgewicht halten muss. Es geht auch nicht darum, dem Hund Schmerzen zuzufügen, indem er zurückgeruckt wird. Es geht darum, die Leine wieder lockern zu können, ohne dass der Hund zu seinem Ziel gelangt. Achtet man darauf, auf diese Weise die Leine immer locker zu haben, lernt der Hund rasch, selbst locker zu stehen und auf sich selbst zu achten.
Erfolg an lockerer Leine
Gibt es ein Ziel, zu dem der Hund hinmöchte, kann dies ebenfalls wunderbar für eine Vorübung genutzt werden. Möchte der Hund zum nächsten Baum und zieht plötzlich dorthin, erfolgt wieder sofortiges Stehenbleiben und Lockern der Leine. Schaut er sich dann irgendwann um, um zu fragen, wie er denn dann dort hinkommt, wird er zurückgerufen und darf mit seinem Menschen zusammen zum Baum. Ob er gleich für das erste Umdrehen belohnt wird oder zurückkommen muss oder noch zwei Schritte gemeinsam laufen muss, hängt vom Trainingsstand des Hundes ab.
Ziel ist es, dass der Hund nicht mehr durch Ziehen anzeigt, wo er hinmöchte, sondern durch Ansehen seines Menschen oder Hingehen zu seinem Menschen.
Gleichzeitig bedeutet das natürlich auch, dass der Mensch seine volle Aufmerksamkeit auf seinem Hund hat!
Selbst lockern
Damit der Hund weiß, was er tun soll, wenn die Leine straff ist, kann diese Übung helfen: Der Hund steht neben seinem Menschen. Dieser beginnt, langsam an der Leine zu ziehen und verstärkt den Zug langsam und gleichmäßig. Irgendwann wird der Hund nachgeben, um nicht umzufallen. In dem Moment, indem der Hund selbstständig die Leine lockert, indem er nachgibt, wird geklickt/gelobt und belohnt. Dies wird so oft wiederholt, bis es gar nicht mehr möglich ist, die Leine zu straffen, weil der Hund sofort nachgibt. Sind die Vorübungen erfolgreich und der Hund umgeschnallt, kann jetzt das tägliche Training beginnen.
Im Alltag
In dem Moment, in dem die Leine umgeschnallt wurde, ist die Leine in einer festen Länge. Diese bleibt immer gleich. Nur so kann der Hund lernen, wie viel Platz er hat. Die Strecke sollte ohne größere Ablenkungen sein, der Hund noch ausreichend konzentriert.
Losgegangen wird immer zusammen mit einem vorherigen Blickkontakt. Sobald die Leine straff ist, bewegt sich der Mensch rückwärts in die entgegensetzte Richtung und nimmt den Hund an der Leine mit. Währenddessen hält er ihm seine Hand als Locksignal für das Herankommen entgegen, um zu verhindern, dass der Hund noch links und rechts schnüffelt oder am Menschen vorbeiläuft und diesen umrundet. Hat der Hund aufgeholt und ist wieder auf Höhe des Menschen, bleibt dieser stehen, wartet auf Blickkontakt und geht dann erneut los.
Der Hund lernt so, dass der Leinenzug dazu führt, dass er sofort in seinem Tun unterbrochen wird, weg von dem gehen muss, wo er hinwollte und sich auf seinen Menschen konzentrieren soll. Erst wenn die Leine beim Menschen wieder locker ist, geht es weiter. Der Hintergedanke ist, dass der Hund zu wenig Aufmerksamkeit beim Menschen hatte, um zu bemerken, dass die Leine straff geworden ist. Also wird er aus seiner Konzentration herausgeholt, soll sich wieder auf den Menschen konzentrieren und kann von Neuem starten.
Beim Rückwärtsgehen kann der Hund freundlich angesprochen werden, aber nicht gelobt oder mit Leckerchen gelockt werden. Das Laufen an lockerer Leine ist eine lange Übung. Macht der Hund einen Fehler, wird die Übung unterbrochen (Rückwärtsgehen), die Ausgangsposition wird wieder eingenommen (locker neben den Menschen kommen) und nochmal gestartet (weiter-gehen nach Blickkontakt).
Der Hund soll seinen Menschen nicht umrunden, sondern auf-merksam mitbekommen, was er tut, statt stumpf Wege abzulaufen. Der Mensch soll sich nicht umdrehen und nur die Richtung wechseln, um zu vermeiden, dass der Hund dann einfach in die andere Richtung läuft. Und der Mensch soll seinen Hund beim Rückwärtsgehen aufmerksam machen, um ihm das Verstehen zu erleichtern. Ist der Hund sehr zappelig, geht es erst weiter, wenn der Hund wieder etwas ruhiger geworden ist.
Andere Reaktionen sind je nach individuellem Hund auch möglich. Man kann stehenbleiben und warten, ob der Hund die Lei-ne selbst lockert und dann weitergehen oder aufschließen und weitergehen. Oft ist der Hund dabei aber mit dem Kopf ganz woanders und versteht den zeitlichen Zusammenhang erst sehr spät oder gar nicht. Oft lernt er dann nur, sich hinzusetzen, wenn die Leine straff ist, aber nicht, die straffe Leine zu verhindern. Man kann umdrehen und einfach die Richtung wechseln. Manche Hunde stört das nicht wirklich, weil es ihnen egal ist, in welche Richtung sie ziehen. Je nachdem, welchen Typ Hund man an der Leine hat, kann das eine oder das andere gut funktionieren. Wichtig ist, dass der Hund eine sofortige Rückmeldung auf das Straffwerden der Leine bekommt und verhindert wird, dass er sich dennoch weiter mit seinen Dingen beschäftigt und verstehen lernt, wann er ungestört laufen kann und was genau ihn daran hindert (das selbst verschuldete Straffen der Leine).
Gestellte Übung
Eine gestellte Übung, die schnell Verstehen beim Hund auslöst, ist die „Pech gehabt“-Übung. Hierfür sucht man einen Startpunkt aus und markiert diesen. Ein Ziel in Form eines mit Leckerchen gefüllten Schüsselchens stellt man mit Hund (damit dieser das auch wirklich mitbekommt) ca. 10 m entfernt auf. Dann geht man mit dem Hund zum Startpunkt und startet mit gemeinsamem Blickkontakt. Sobald die Leine straff ist, kommt ein „Pech gehabt“ und es geht zügig und ohne Kompromisse zum Startpunkt zurück. Auch der Neustart beginnt mit einem Blickkontakt.
Bei dieser Übung sind das Timing und die Konsequenz für den Hund so eindeutig, dass man innerhalb von 2-4 Versuchen sehen kann, wie der Hund lernt, sich zurückzuhalten.
Schaffen es Hund und Halter an lockerer Leine bis zur Schüssel, darf diese vom Hund geleert werden.
Der Mensch muss bei dieser Übung darauf achten, normal schnell zu laufen. Er darf zudem nicht langsamer werden, je dichter man an die Schüssel kommt. Und das Zurückgehen mit Hund muss rasch geschehen, damit der Hund auch selbstständig mitkommt und sich nicht wie ein Kartoffelsack auf den Boden fallen lässt. Er soll gar keine Zeit haben, andere Strategien zu ersinnen, vorwärtszukommen.
Solange der Hund locker mitkommt, wird mit ihm ruhig und freundlich gesprochen. Ist die Leine straff, kommt das „Pech gehabt“ kurz, prägnant und bedauernd. Beim Zurückgehen kann man ihm freundlich erzählen, dass man nun leider von vorn beginnen muss. Zu keiner Zeit wird geschimpft oder schlechte Laune verbreitet. Es ist eine Challenge, wie oft man umkehren muss, um zum begehrten Ziel zu gelangen!
Es gibt viele weitere Übungen und Vorgehensweisen, um mit dem Hund das Laufen an lockerer Leine zu trainieren. Allen gemeinsam ist, dass der Hund lernt, nur dann Erfolg zu haben, wenn die Leine locker ist. Futter als Belohnung gibt es bei dieser Variante nicht. Die Belohnung ist das Weitergehen und Schnüffelndürfen oder was immer der Hund tun möchte. Futter für eine lockere Leine kann den Hund verwirren, der dann entweder lernt, er soll seinen Menschen anschauen (was nicht das Ziel der Übung ist), oder er kann einfach nicht verstehen, wofür das Futter war. Laufen an der Leine ist eine dauernde Übung. Es gibt keinen konkreten Moment, den man markieren könnte, um dem Hund begreiflich zu machen, worum es geht. Der einzige konkrete Moment ist das Straffen der Leine.
Je besser der Hund sich im Leinenradius beherrschen kann, desto rascher kann man die Zeit ausdehnen, die der Hund an der lockeren Leine verbringt. Optimalerweise gibt es immer Wechsel zwischen Freilaufsequenzen und Sequenzen an der Leine.
Dann schafft es jedes Team, die Leine nicht mehr als Einschränkung, sondern als reine Notfallmaßnahme zu sehen und ansonsten zu vergessen.
Die eigentliche Verbindung geschieht dann über andere Signale und die unsichtbare Leine zwischen Mensch und Hund.
Gestartet wird immer gemeinsam und mit Blickkontakt.
Sobald der Hund zieht, geht es nicht weiter vorwärts, sondern ...
... es geht rückwärts zum Startpunkt zurück. Die Führhand hilft.
Am Startpunkt wird auf Blickkontakt und Ruhe gewartet.
Solange die Leine locker bleibt, geht es in normalem Tempo vorwärts.
Bleibt die Leine locker, kann das Ziel erreicht werden.