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Hundetraining gestern und heute

erschienen am 25. Oktober 2021
Foto: Africa Studio – stock.adobe.com
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Der Bundesrat1 hat am 25. Juni 2021 über eine Änderung der Tierschutz-Hundeverordnung abgestimmt. Darüber ist in der Trainer:innenszene eine heftige Diskussion entbrannt. Dr. Barbara Schöning beleuchtet diese Entscheidung vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung des Hundetrainings und wissenschaftlichen Grundlagen.

Laut neuer Verordnung, welche vermutlich Anfang 2022 in Kraft tritt, ist die Anwendung von Stachelhalsbändern und anderen für Hunde schmerzhafte Mittel bei der Erziehung oder beim Training verboten. Vonseiten derjenigen, die mit Stachelhalsband gearbeitet haben, wird argumentiert, dass damit Hundehalter vor erhebliche Probleme gestellt werden, da ihnen ein wichtiges Regulativ genommen wird.

Hundetraining war Erfahrungswissen

Wenn man sich die Geschichte der Hundeausbildung anguckt, nimmt die Arbeit mit negativen Einwirkungen (Strafe, oft über Schmerzzufügung) einen großen Bereich ein. Erste Texte zum Training von Hunden gibt es aus dem frühen Griechenland und römischen Reich; auch aus dem Mittelalter gibt es Texte, z.B. zur Jagdhundeausbildung. Das Wissen über Ausbildung und die praktische Umsetzung haben immer auch Kultur und Moral der jeweiligen Epoche widergespiegelt und basierten bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts ausschließlich auf Erfahrungen, die über Generationen weitergegeben wurden.

Lerntheorien aus dem letzten Jahrhundert

Erst Anfang des letzten Jahrhunderts begann man, Lernvorgänge und Erziehung/Training wissenschaftlich zu betrachten. Wegbereiter war hier Iwan Pawlow mit seinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlichten Untersuchungen über Konditionierungsprozesse. Seine zu Theorien zusammengefassten Beobachtungen wurden schnell als klassische Konditionierung bekannt. Ungefähr zeitgleich auf der anderen Seite des Atlantiks begannen Edward Thorndike und John Watson mit ihren Untersuchungen zum Lernen durch Konsequenzen des eigenen Verhaltens. Ihre Theorien legten den Grundstein zur sogenannten instrumentellen bzw. operanten Konditionierung.

Burrhus Frederic Skinner war dann derjenige, der mit seinem Buch „The Behavior of Organisms“ (1938) Forschung zum Lernverhalten auf eine Ebene hob, die wirklich den Namen Wissenschaft verdiente. Sein Zitat „Both natural selection and operant conditioning have been slow to make their way as scientific explanations because they conflict with well-established views“ spiegelt das wider, was aktuell in der Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern von Training über Belohnung bzw. Strafe zu beobachten ist.

Lernen im Labor

Forschung zum Lernverhalten wurde ab ca. den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts vornehmlich im Labor durchgeführt. In genau kontrollierter Umgebung konnte man sehr exakt bestimmte Stimuli einsetzen, um Verhalten auszulösen und um es dann zu belohnen (positive Konsequenz) oder zu bestrafen (negative Konsequenz). Belohnungen waren oft Futterpellets und Bestrafungen fanden über Stromstöße statt. Negative Konsequenzen wurden eingesetzt, um zu untersuchen, ob man damit zuverlässig bestimmte Verhaltensreaktionen löschen bzw. in ihrer Intensität und Häufigkeit reduzieren konnte. Im genau designten Laborexperiment waren Reduzierungen von Verhaltensreaktionen als Resultat von negativen Konsequenzen durchaus möglich. Ob über Training eine Löschung eines bestimmten Verhaltens bis auf Null zu erreichen ist, ist immer noch strittig.

Das Dominanzmodell als Trainingsgrundlage

Mehr und mehr wurden dann solche Laborergebnisse auf das Training von Tieren im realen Leben übertragen. Besonders Strafe (= zufügen von etwas für das Tier Negativem) wurde eingesetzt. Damit wurde zum einen bedient, „was man schon immer gewusst und praktiziert“ hatte. Zum anderen passte diese Form der Erziehung gerade von Hunden in das in den 40er Jahren veröffentlichte Dominanzmodell mit dem Alphawolf an der Spitze des Wolfsrudels, der seine Position mit Gewalt und Druck erobert und hält. Die landläufige Meinung war, dass der Mensch für ein gedeihliches Zusammenleben Hund-Mensch der Alpha sein musste und damit allein waren Strafeinwirkungen schon gerechtfertigt.

Ab den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts begann man zunächst das Dominanzmodell mit Alpha an der Spitze zu hinterfragen. Es zeigte sich, dass Wölfe ihre Rudel anders strukturierten, als früher gedacht. Die Übertragung der Wolfsmodelle auf Hunde bzw. das Hund-Mensch-Team wurde zunehmend kritisch gesehen.

Positive Verstärkung entwickelt sich gesellschaftlich

Das alte „Alpha-Modell“ mit dem Menschen als „Rudelführer“ hat mittlerweile ausgedient. Auch im Bereich Training hat sich seit den 80er Jahren einiges verändert. Gerade über die Arbeit mit großen Meeressäugern wurde deutlich, dass das Training über Strafe nicht nötig ist, um bestimmte Verhaltensmuster zuverlässig zu trainieren, sondern dass man mit Belohnung sehr viel besser Erfolge erzielen kann. Karen Pryor gebührt der Verdienst, diese Erkenntnisse Mitte der 80er Jahre einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht zu machen. Auch wenn das Buch sich damals nicht explizit an Hundetrainer:innen oder -besitzer:innen richtete – es legte den Grundstein für das Clickertraining und das Training über Shaping.

Training über Belohnung und unter Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse nahm unter Hundetrainer:innen zu und es gründeten sich Verbände für Trainer, die nach diesen Prinzipien arbeiten bzw. die Arbeit damit lernen wollten. Die Association of Pet Dog Trainers (APDT, jetzt Association of Professional Dog Trainers) in den USA wurde 1993 gegründet; der BHV gründete sich 1996 in Deutschland. Beide Verbände erlebten schnell einen großen Zulauf und eines ihrer Ziele war es, ein Berufsbild und einen Ausbildungsgang für Hundetrainer zu entwickeln. Ich kann mich noch gut an frühe Kongresse des APDT erinnern, wo ich z.B. Karen Pryor, Karen Overall, Turid Rugaas oder Ian Dunbar in Vorträgen und Seminaren erlebte. Ein besonderes Highlight waren Vorträge von Marian Bailey, die zusammen mit ihrem ersten Mann Keller Breland bei B.F. Skinner im Lernlabor gearbeitet hatte.

AdobeStock 231050730Mit Hilfe von Belohnungen kann der Hund animiert werden, ein erwünschtes Verhalten häufiger zu zeigen.

Hundetraining unter wissenschaftlichen Aspekten

Seit Ende der 90er Jahre wird die praktische Anwendung der Lerntheorie gerade an Hunden intensiv wissenschaftlich untersucht und es gibt mittlerweile zahlreiche Forschungsarbeiten zur Frage, ob Belohnung oder Strafe besser geeignet ist, um einen zuverlässigen Lernerfolg zu erreichen. Auch das Thema Tierschutz ist hierbei in den Fokus gerückt und man hat in derartigen Untersuchungen auch betrachtet, inwieweit bestimmte Maßnahmen oder Hilfsmittel eine Tierschutzrelevanz im negativen Sinne haben. Weiter von Interesse war der Zusammenhang zwischen strafbasiertem Training und Verhaltensauffälligkeiten wie Angststörungen, Zwangsstörungen oder Aggressionsproblemen.

Zusammenfassend zeigen diese Untersuchungen

- dass Strafe (psychisch und/oder physisch) nicht nötig ist, sondern dass über positive Verstärkung (Belohnung) bei akkurater Umsetzung des aktuellen Wissens über Lernverhalten (inkl. Wissen aus der Neurophysiologie) schnellere und belastbarere Trainingsergebnisse zu erzielen sind;

- dass eine enge Korrelation zwischen strafbasiertem Training und dem Auftreten von Verhaltensproblemen (besonders Aggressionsproblemen) besteht;

- dass strafbasiertes Training zu reduziertem Wohlbefinden mit lang andauernden Folgen führen kann, dass also neben Schmerzen auch Leiden und Schäden ausgelöst werden. Damit kann bei der Anwendung gerade von Schmerz auslösenden Maßnahmen schnell ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz gegeben sein.

Genau diese Argumente hat der Bundesrat auch berücksichtigt, um das aktuelle Verbot des Stachelhalsbandes zu begründen.

Schmerz im Training ist nicht mehr zeitgemäß  AdobeStock 245385304Hunde haben Emotionen wie Menschen. Mit diesem Wissen muss sich auch der Umgang mit ihnen verändern.

Das Verbot von Schmerz auslösenden Hilfsmitteln im Training ist nicht neu. Das Bundesverwaltungsgericht befand z.B. in seinem Urteil vom 23.2.2006 (BVerwG 3 C 14.05): „Der Einsatz von Elektroreizgeräten, die erhebliche Leiden oder Schmerzen verursachen können, für Zwecke der Hundeausbildung ist gemäß § 3 Nr. 11 TierSchG verboten. Dabei kommt es nicht auf die konkrete Verwendung der Geräte im Einzelfall, sondern darauf an, ob sie von ihrer Bauart und Funktionsweise her geeignet sind, dem Tier nicht unerhebliche Schmerzen zuzufügen.“ In Österreich verbietet das Tierschutzgesetz die Anwendung von Stachelhalsbändern und von Elektroreizgeräten seit 2005. In der Schweiz ist der Einsatz von Stachelhalsbändern und Elektroreizgeräten seit 2008 verboten. Die Niederlande haben Anfang 2021 das Verbot von Elektroreizgeräten gesetzlich geregelt. Auch hier wurden wissenschaftliche Argumente zum Thema Effektivität und Tierschutz bei den Anhörungen in Den Haag berücksichtigt.
 
Wie denken Hunde?
 

Natürlich stellt sich bei diesen Verboten die Frage: „Sind Training und Umgang mit dem Hund auf der Grundlage ausschließlich positiver Verstärkung möglich?“ Das ist es ja, was die Befürworter von Stachelhalsband etc. bezweifeln bzw. was sie umtreibt.

Punkt 1: Hunde sind Säugetiere und nach dem Analogieschluss (und den Resultaten diverser Forschungsarbeiten) haben sie Bedürfnisse und Emotionen, die den menschlichen nicht unähnlich sind. Bei den Emotionen sind es auf alle Fälle die großen Gegenspieler „Freude“ und „Angst“ – mit allen Variationen wie Unsicherheit, Panik, Begeisterung, Ekstase, Frustration, Trauer, Wut oder Erleichterung. Bei den Bedürfnissen steht „grundsätzliches Wohlbefinden“ an erster Stelle. Wohlbefinden tritt dann ein, wenn weitere Bedürfnisse wie Nahrung, Gesundheit (Schmerzfreiheit), Wasser, Sozialkontakt oder Sicherheit (Angstfreiheit) befriedigt sind.

Punkt 2: Hundeverhalten und besonders ihr Ausdrucksverhalten ist gut erforscht. Man sieht es dem Hund an, wie er sich gerade fühlt. Damit kann auch bestimmt werden, ob eine Trainingsmaßnahme bei ihm eine positive oder negative Stimmung auslöst, und daraus schlussfolgern, ob Wohlbefinden vorhanden oder beeinträchtigt ist und wie lange dieser Zustand anhält.

Punkt 3: Lernvorgänge und die dazugehörigen Prozesse im Gehirn sind gut erforscht. Hier treffen sich die vorherigen „Punkte“: zur Gedächtnisbildung benötigt man Emotionen – und am Hundeverhalten sieht man, ob Lernen stattgefunden hat. Ohne Aktivierung des „internen Belohnungszentrums“ des Gehirns finden nur wenige Lernvorgänge statt. Aktiviert wird das Belohnungszentrum, wenn ein Signal signalisiert, „das hier ist gut (positive Emotion) – so kannst du deinen Zustand optimal halten oder sogar noch verbessern – Bedürfnisse werden befriedigt = Wohlbefinden kann erreicht werden“.

Forscher bezeichnen das Gehirn auch als „Vorhersage-Maschine“. Zu erkennen, was gut ist bzw. einem guttut, und Fehler in der Zukunft zu vermeiden, ist wichtig für das Überleben. Wenn das Gehirn nicht in einem gewissen Rahmen vorhersagen kann, was als Konsequenz von was passieren könnte, kann man schnell in böse Fallen stolpern.

Wie lernen Hunde am erfolgreichsten?

Genau das machen Menschen sich im Training zunutze. Das Gehirn lernt von positiven wie negativen Erfahrungen gleichermaßen. Positiv und Negativ sind hier in Bezug auf „Erreichen von Wohlbefinden“ zu verstehen: Was lohnt sich für den Hund (dann zeigt er das dazugehörige Verhalten häufiger) und was lohnt sich nicht? Dann wird das dazugehörige Verhalten seltener gezeigt – aber da sich ein Hund nicht nicht-verhalten kann, muss er zwangsläufig ein anderes Verhalten zeigen. Wenn man erreichen will, dass der Hund ein bestimmtes Verhalten häufiger zeigt, muss man im Training dafür sorgen, dass er dieses Verhalten in seinen Kanon für „damit kann ich mein Wohlbefinden verbessern“ aufnimmt. Und dies nicht aus Angst vor Strafe – denn damit wäre chronischer Stress vorprogrammiert.

AdobeStock 35360444Hilfsmittel, die dem Hund Schmerzen zufügen, sind im Hundetraining mittlerweile verboten.Ist Training ohne Strafe möglich?

Was bleibt, ist die Frage, ob Training und Umgang mit dem Hund auf der Grundlage ausschließlich positiver Verstärkung möglich sind. Die Antwort ist „nein“. Wenn man mit einem Hund in einem gekachelten Lernlabor leben würde, in dem alle Umweltfaktoren perfekt kontrollierbar sind, kann Gedächtnisbildung über ausschließlich positive Verstärkung erreicht werden.

Im „realen Leben“ passieren im Training und im Umgang mit dem Hund zwangsläufig auch negative Dinge. Dabei ist „negativ“ hier subjektiv aus der Sicht des Hundes zu verstehen.

Eine erwartete Belohnung nicht zu bekommen ist schon negativ (es erzeugt Frustration). Im Training ergibt sich so ein Wechselbad der Gefühle für den Hund zwischen „das lohnt sich – ich mach weiter“ und „das lohnt sich nicht – ich muss mir etwas anderes einfallen lassen“.

Der Trainer ist dabei für die richtige Dosis zuständig, um den Hund in die von ihm gewünschte (Verhaltens)Richtung zu motivieren. Der Trainer muss darauf achten, dass als Summe aller Maßnahmen unterm Strich „Wohlbefinden und Gedächtnisbildung in die gewünschte Richtung“ rauskommt. 

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Barbara Schöning
Foto: privat

Zur Person

Dr. med. vet. Barbara Schöning ist Tierärztin mit den Zusatzbezeichnungen Tierverhaltenstherapie, Fachtierärztin für Verhaltenskunde und Tierschutz. Sie führt eine Praxis für Tierverhaltensmedizin in Hamburg mit angeschlossener Hundeschule und ist Autorin zahlreicher Fachartikel und Bücher sowie Referentin auf nationalen und internationalen Kongressen.

Kontakt

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Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V.
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