Die Welpenzeit beim Züchter
Was kann ein:e Züchter:in für die Welpen tun, um sie die ersten acht Lebenswochen bestmöglich zu begleiten, um sie zu fördern und auf ihr weiteres Leben vorzubereiten? Tierärztin und Züchterin Sonja Schmitt gibt Antworten auf diese Fragen.
Endlich, nach der Auswahl der Zuchtpartner und der Trächtigkeit ist nun der Tag der Geburt der Welpen gekommen. In den kommenden in der Regel acht bis zehn Wochen, die die Welpen mit ihrer Mutter und den Wurfgeschwistern bei dem:der Züchter:in verbringen, hat dieser einen großen Einfluss auf das spätere Verhalten der Welpen. Er:Sie sollte Mutterhündin und Welpen nicht nur begleiten, sondern die Welpen entsprechend ihrem Entwicklungsstadium fördern, aber nicht überfordern und sie auf ihr Leben nach der Zeit bei dem:der Züchter:in vorbereiten.
Die Geburt
Bei den Welpen ist zum Zeitpunkt der Geburt lediglich der Geruchs- und der Tastsinn ausgebildet. Körperlicher Kontakt besteht mit der Mutter und den Wurfgeschwistern. Die Zeit wird mit Schlafen und Milchsaugen verbracht. Jetzt schon besteht die Möglichkeit des Lernens über Gerüche und über den Tastsinn. In dieser Phase kümmert sich die Hündin intensiv um die Welpen und stimuliert durch Belecken die Verdauung sowie den Kot- und Urinabsatz. Diese Manipulation der Welpen durch die Mutter stimuliert die Gehirnentwicklung. Untersuchungen zeigen, dass schon in diesem frühen Zeitraum die Welpen durch den Züchter bzw. die Züchterin und weitere Menschen auf den Schoß genommen und gestreichelt werden sollten. Ideal ist dabei auch direkter Hautkontakt. Der Welpe lernt mit Berührung und Geruch von Menschen die Geborgenheit und Sicherheit zu verknüpfen, die ihm ansonsten der Kontakt mit Mutter und Geschwistern vermittelt. Die so geförderten Welpen zeigen sich zeitlebens weniger stressanfällig und besser ansprechbar für soziale Unterstützung und soziale Kontakte. Sie sind insgesamt ruhiger und sind stärker an ihrer Umwelt interessiert. Selbstverständlich sollte die Mutterhündin mit den Personen, die den Welpen so nah kommen, vertraut sein, keinen Stress durch deren Anwesenheit und deren Kontakt mit den Welpen empfinden. Bis zum 13. Lebenstag findet das Welpenleben in der Wurfkiste statt, die ihren Platz in einem ruhigen Bereich der Wohnung/des Hauses haben sollte, an dem die Hündin mit den Welpen ungestört ist und den sie schon während der Trächtigkeit stressfrei kennenlernen konnte.
Welpentoilette und Haushaltsgeräusche
Ab dem 13. Lebenstag öffnen sich die Augen und kurz darauf die Ohren. Jetzt findet eine rasante Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeit und der Bewegungskoordination statt, so dass die Welpen in der Ab der 3. Lebenswoche verbessern die Welpen ihre motorischen und sozialen Fähigkeiten. Sie können jetzt z. B. Hunde anderer Rassen kennenlernen. Foto: Sonja SchmittLage sind, komplexere Verhaltensweisen auszuführen, z. B. Springen, im Spiel beißen und bei sozialen Interaktionen mit dem Schwanz wedeln. Die Welpen dehnen ihren Aktionsradius aus und setzen Kot und Urin ohne Stimulation durch die Mutterhündin ab. Die Welpen lernen ab jetzt, auf welchen Untergründen sie in Zukunft Kot und Urin absetzen werden. Der Züchter bzw. die Züchterin kann die Prägung auf Naturmaterialien unterstützen, indem er:sie Welpentoiletten aufstellt, in denen zuunterst eine saugfähige Unterlage eingebracht wird und darüber Naturmaterialien, die wechseln, wie z. B. Gras und Laub, Erde und Sand, Rindenmulch oder Rollrasen. Diese Welpentoiletten stehen dann direkt am Ausgang der Wurfkiste, die ab nun geöffnet sein kann, damit die Welpen die Welt – den sicheren Welpenauslauf – erkunden können. Wurfkiste und Welpenauslauf sollten nun in einem Wohnungsbereich sein, an dem die Hündin sich stressfrei und in Ruhe mit den Welpen aufhalten kann, die Welpen aber die Möglichkeit haben, das Leben in einem Haushalt kennenzulernen mit all den Geräuschen, die zum Alltag dazugehören. Am besten stehen also die Wohnungstüren auf, damit Spülmaschinen-, Waschmaschinen- und Staubsaugergeräusche, Fernseh- und Radiogeräusche usw. wahrgenommen werden. Zusätzlich kann die Geräuschpalette zur Gewöhnung über sogenannte Geräusch-CDs erweitert werden. Selbstverständlich ist, dass die Geräusche in moderater Lautstärke abgespielt werden und die Mutterhündin vor den Geräuschen keine Angst hat. Es ist jetzt auch schon möglich, in den Phasen, in denen die Welpen an die Mutter angekuschelt schlafen, eine bestimmte Musik abzuspielen, die der Welpe nachher im neuen Haushalt abgespielt bekommt, wenn es um Ruhe und das Üben des Alleinbleibens geht.
Spielsachen unterschiedlichster Formen, Farben und Materialien
Den Welpen sollten beim Züchter bzw. der Züchterin unterschiedliche Spielsachen präsentiert werden, die eine Erkundung auslösen, wie z.B. ein Bälle Bad. Foto: Sonja SchmittIm Welpenauslauf liegen Spielsachen, mit denen der Welpe selbst Geräusche erzeugen kann, z. B. Metalldosen oder Rasselspielzeuge (selbstverständlich muss eine Verletzungsgefahr der Welpen ausgeschlossen sein). Zusätzlich werden jetzt wechselnd unterschiedliche optische Reize angeboten: Spielsachen aus unterschiedlichen Materialien, Farben und Oberflächen, die eine Erkundung auslösen. Die Untergründe, die sich unter den Welpenpfoten befinden, können jetzt schon variieren. Hierfür eignen sich z. B. orthopädische Sensorikstrukturmatten, die einfach zu legen und zu reinigen sind. Unter Aufsicht können sie die komplette Welpenzeit präsentiert werden. Balanceboards dienen ersten Kletter- und Motorikübungen. Der Kontakt mit Menschen wird auf weitere Personen ausgedehnt, die sich mit den Welpen beschäftigen und ihnen beim Streicheln und Kuscheln die Nähe von Menschen angenehm machen und so für die generelle Bindungsbereitschaft an Menschen sorgen.
Gehirnentwicklung auf Hochtouren
Ab der 3. Lebenswoche beginnt die Sozialisationsphase, die ca. bis zur 12. Woche andauert. Die begonnenen akustischen, optischen, haptischen Reize werden weiterhin präsentiert und ausgeweitet. Nun läuft die Gehirnentwicklung auf Hochtouren. Der Welpe muss lernen, sich in der Umwelt zurechtzufinden, und sich die Verhaltensweisen aneignen, die ihm einen stress- und konfliktfreien Umgang mit anderen Lebewesen ermöglichen. Die Welpen verbessern ihre motorischen und sozialen Fertigkeiten und beginnen, artfremde soziale Bindungen zu entwickeln. Jetzt ist die Zeit, in der die Welpen freundliche, mit Welpen sozialisierte Hunde anderer Rassen sowie andere tierische Mitbewohner kennenlernen. Ebenso sollten sie Menschen aller Altersgruppen – vor allem auch Kinder – beiderlei Geschlechts und nach Möglichkeit verschiedener Ethnien und körperlicher Fähigkeiten kennenlernen. Der Welpenauslauf wird erweitert und sollte jetzt auch die Umwelt vor der Haustür beinhalten. Der Außenauslauf sollte welpensicher sein und dennoch ausreichend Anreize zur geruchlichen und optischen Erkundung bieten sowie die Möglichkeit der Ausbildung der motorischen Fähigkeiten, z. B. durch Hügel, Sandkästen, Tunnel, Wackelbretter und Wasserbäder sowie andere Dinge, die es zu erobern gilt.
Erste kleine Übungen
Ab der 5. Lebenswoche zeigen Welpen Lernleistungen, die schon mit denen erwachsener Hunde vergleichbar sind. Sie lernen jetzt schon durch Beobachtung von Hunden und Menschen. Sobald die Fütterung von fester Nahrung beginnt, kann mit der Handfütterung begonnen werden. Hier können die Personen, die sich mit den Welpen beschäftigen, schon darauf achten, dass erste Spielregeln im Umgang mit den Welpen trainiert werden, z. B. dass es das Futter aus der Hand gibt, wenn alle vier Pfoten auf dem Boden sind, und in Folge, wenn der Welpe sich setzt. Ebenso kann der Züchter bzw. die Züchterin damit beginnen, mit den Welpen den Rufnamen, ein Lobwort/Markersignal sowie den Rückruf zu trainieren. Zeigen die Welpen Interesse an Spielsachen, die am besten reichlich vorhanden sein sollten, kann der Züchter bzw. die Züchterin sich auch als Spielpartner etablieren. Ideal ist es, wenn die Welpen in dieser Zeit ihre zukünftigen Besitzer:innen kennenlernen können und diese sich mit ihrem und den anderen Welpen beschäftigen – bringen sie die komplette Familie mit, lernen die Welpen jede Menge unterschiedliche Personen kennen. Perfekt ist es, wenn die Welpen nach wie vor im normalen Wohnumfeld leben, um einen strukturierten Tagesablauf und Alltagsdinge kennenzulernen. Sie lernen, in ihrem Welpenauslauf die Menschen zu sehen, aber nicht immer folgen zu können. Im täglichen Umgang werden sie dabei häufig hochgenommen, um z. B. in den Welpenauslauf gesetzt zu werden oder nach draußen gebracht zu werden – so etabliert sich das Hochheben und Tragen. Das Weggehen und Wiederkommen von Personen und die entsprechende Abschieds- und Begrüßungsreaktion werden hierbei gelernt. Besucher:innen und Betreuungspersonen sollten alle instruiert sein, dass keine Kontaktaufnahme stattfindet, wenn der Welpe hochspringt – und beim Beißen in die Finger oder in die Hosenbeine endet der Kontakt mit den Menschen auf freundliche, aber bestimme Art durch Ignorieren des Welpen. Auch Kinder unterschiedlichen Alters sollten in dieser Zeit Kontakt mit den Welpen haben. Die betreuenden Personen führen mit den Welpen kleine Trainingseinheiten außerhalb der Gruppe durch, selbstverständlich alles in stressfreier Umgebung und ausschließlich in positivem Kontext.
Grundsätzlich ist hier ein Gleichmaß an neuen Eindrücken gefordert, ohne die Welpen zu überfordern. Zusätzlich muss darauf geachtet werden, dass die Welpen ausreichend Platz und Ausweichmöglichkeiten haben, um sich zurückziehen zu können. Es bietet sich an, unterschiedliche Liegeplätze und Rückzugsorte wie z. B. auch Hundeboxen zur Verfügung zu stellen. Für den Welpen ist wichtig, dass nach wie vor die Menschen in seinem Umfeld bei Umwelterkundungen und bei Bedarf nach sozialer Nähe zuverlässig zur Verfügung stehen und freundlich und mit positiver Verstärkung richtig angebotene Verhaltensweisen bestätigen.
Erste Autofahrten und Anlegen des Brustgeschirrs
Ab der 6. Lebenswoche kann mit zusätzlichen kleinen Herausforderungen gestartet werden: Anlegen von Brustgeschirr/Halsband und Leinenführigkeitsübungen, Autofahrten und kleinere Spaziergänge, auf denen die Umwelt erobert wird und unterschiedliche Bodenuntergründe kennengelernt werden. Die Welpen lernen so, sich außerhalb des gewohnten Umfeldes zu lösen. Sinnvoll ist es, den Welpen bei den Ausflügen Futter aus der Hand anzubieten und auch in der fremden Umgebung eine kleine Trainingseinheit, z. B. Rückruf- und Rufnamenstraining, abzuhalten. Somit hat der zukünftige Hundebetreuende es einfacher, denn die Hunde haben schon gelernt, in fremden Umgebungen zu trainieren und Futterbelohnungen zu nehmen. Ebenso sollte jede Kontaktaufnahme mit der Betreuungsperson dem Welpen positiv zurückgemeldet werden.
Fütterung der Welpen
Bei der Fütterung achtet der:die Züchter:in darauf, dass jeder Welpe in Ruhe sein Futter zu sich nehmen kann, gegebenenfalls werden die Welpen einzeln gefüttert. Den Welpen können auch schon Kauartikel angeboten werden. Hier eignen sich größere Kauknochen, Schweineohren usw., die die Welpen nicht im Ganzen abschlucken können. Es sollten deutlich mehr Kauartikel zur Verfügung stehen, als Welpen da sind. Damit lässt sich eine Tendenz zur Ressourcenverteidigung minimieren. Ebenso kann der Züchter Tauschübungen gegen bessere Dinge anbieten, um den Welpen auf Abgabeübungen vorzubereiten.
Der Auszug
Nach heutigen Erkenntnissen kann dann ab der 8. bis 10. Lebenswoche der Welpe in sein neues Zuhause umziehen, ohne dass hier negative Auswirkungen zu erwarten sind. Der Umzug kann gut vorbereitet werden, indem der Welpe seine zukünftigen Hundehaltenden schon kennenlernen durfte. Der:die neue Halter:in kann geruchliche Kleidungsstücke beim Züchter bzw. der Züchterin lassen und der Züchter bzw. die Züchterin kann wiederum geruchliche Dinge wie eine Decke mit in das neue Zuhause geben. So gerüstet sollte der Welpe den Umzug in das neue Zuhause gut und stressfrei meistern und die neue Umwelt mit Neugier und Zutrauen zum Menschen erobern.