Futterpunkte - wie sie unser Training beeinflussen
Der Ort der Belohnung ist im Training ein wichtiger Faktor, denn durch ihn beeinflussen wir die Position des Hundes. Worauf es im Training bei der Wahl des Belohnungspunktes – genauer des Futterpunktes, wenn wir mit Futter arbeiten – ankommt, erklärt Katja Frey.
Das Training mit positiver Verstärkung ist eine wunderbare Sache, es bereichert die Verständigung zwischen Mensch und Tier und schafft eine vertrauensvolle Art der Kommunikation. Oft wird das Training mit positiver Verstärkung mit Clickertraining gleichgesetzt und der Moment, in dem geklickt wird, erfährt zu Recht viel Aufmerksamkeit und Schulung. Doch wenngleich der Clicker oder ein anderer akustischer Marker ein außerordentlich nützliches Hilfsmittel in der Trainingswelt darstellen, sind sie für die positive Verstärkung dennoch nicht essentiell.
Positive Verstärkung im Training
Wir können positiv verstärkend trainieren ohne Clicker, aber natürlich nicht ohne primären Verstärker. Und wenn wir einen Verstärker hinzufügen, dann müssen wir dies zwangsläufig zu einem bestimmten Moment bzw. an einem bestimmten Ort tun. Dieser Ort hat eine Bedeutung für das Lernen des Hundes – ebenso wie der Moment, in dem geklickt wird. Aus diesem Grund ist es absolut lohnenswert, sich über diesen Punkt gezielt Gedanken zu machen, weswegen ich in diesem Artikel genauer auf diesen wichtigen Aspekt im Training eingehen möchte. Die Rede ist von dem Belohnungspunkt.
Der Belohnungspunkt
Foto: Anja Kallendruschat
Er kann einerseits unsere Kommunikation mit dem Hund unglaublich klar werden lassen und dem Hund hilfreiche Tipps für das erwünschte Verhalten geben oder aber sehr verwirrend sein, wenn wir selbst uns seiner Bedeutung nicht bewusst sind.
In diesem Artikel gehen wir davon aus, dass wir unseren Hund mit Futter verstärken – der Belohnungspunkt ist hier also ein Futterpunkt. Natürlich lässt sich die Bedeutung des Futterpunktes auch auf andere Verstärker wie Spiel übertragen, der Belohnungspunkt vermittelt unserem Hund immer eine Information, egal welchen Verstärker wir nutzen. Am Beispiel des Futterpunktes lässt sich dieser Umstand am eindeutigsten erklären, da wir diesen am gezieltesten anwählen und die Position unseres Hundes präzise beeinflussen können. Dieses augenscheinlich simple Thema wird erstaunlich komplex, wenn wir uns die Mühe machen, die einzelnen Facetten genauer anzusehen. Gleichzeitig ist es vollkommen logisch und kann unser Training mit ein wenig Hintergrundwissen erstaunlich beschleunigen. Die Mühe lohnt sich also in jedem Fall! Wie eingangs gesagt: Wir geben unserem Hund mit der Wahl unserer Futterpunkte sowieso Informationen: Besser ist es also, wenn wir selbst wissen, was wir mitteilen.
Futterpunkte im Training
Wir können unsere Futterpunkte ganz konkret für drei verschiedene Aspekte im Training nutzen:
A: Der Futterpunkt als optimale Ausgangsposition für
den nächsten Trainingsdurchgang.
B: Der Futterpunkt macht einen Ort/eine Position für den
Hund besonders „attraktiv“/erstrebenswert/interessant.
C: Der Futterpunkt als Response Cost, also als Hinweis für den Hund,
wie nah er seinem Zielverhalten ist.
A: Die optimale Ausgangsposition
Foto: Anja Kallendruschat
Beim Training mit einem Clicker oder einem anderen Marker sollte der Clickpunkt/Moment genau die Aktion markieren, die dem Trainingsschritt entspricht und in dem unser Hund das erwartete/gewünschte Verhalten zeigt. Der Belohnungs-/Futterpunkt folgt zeitlich so unmittelbar wie möglich und sollte so gelegt werden, dass er einen optimalen Ausgangspunkt für den nächsten Versuch bietet.
In diesem Fall gehen wir also davon aus, dass wir uns in einer fortlaufenden Trainingssituation befinden und wir möchten dem Hund einen möglichst guten Start für seinen nächsten Versuch bieten.
Beispiel: Der Hund soll lernen, aus verschiedenen Startpunkten auf seine Decke zu gehen, sich dort hinzulegen. Das Bleiben auf der Decke soll erst später trainiert werden. Der Trainingsstand ist, dass der Hund sich auf seine Decke legen kann, wenn er ca. 1 Meter entfernt ist. In diesem Beispiel würde der Futterpunkt als optimale Ausgangsposition bedeuten: Wenn der Hund auf der Decke liegt, klicke ich und füttere ihn in 1 Meter Entfernung, so dass er wieder mit Nase in Richtung Decke steht.
Wenn der Futterpunkt als Ausgangspunkt eingesetzt wird, ermöglicht er zudem viele Zwischenschritte für das ansonsten gleiche Verhalten. Dadurch ergibt sich ein fließender Ablauf während des Trainings.
In dem oben genannten Beispiel bedeutet das: Ich klicke beim nächsten Durchgang das Liegen auf der Decke und füttere den Hund 1,5 Meter entfernt, später 2 Meter, dann auch in schräger Ausrichtung und so weiter. Ich kann den Futterpunkt also bewusst zur Schwierigkeitssteigerung im Training nutzen.
Foto: Anja KallendruschatB: Die Attraktivität von Ort und/oder Position
Diesen Effekt hat vermutlich jede:r Hundehalter:in schon einmal zu spüren bekommen: Dort wo der Hund gefüttert wird, zieht es ihn auch immer wieder magisch hin. Oder eher magnetisch. Egal, ob das die Küche ist, der Hund sich bei Mahlzeiten gerne unter dem Tisch aufhält oder wir einen Welpen oft für ein „Sitz“ belohnen und sein Popo immer schwerer wird und er ständig sitzt. Eigentlich eine simple und völlig logische Tatsache. Warum sollte der Hund sich auch nicht schon mal an die Stelle oder in die Position bewegen, von der er weiß, dass gleich sein Essen dort geliefert wird? Dieser Effekt kann unglaublich nützlich für unser Training oder über die Maße störend sein. Je nachdem, ob wir diesen „Magneten“ gezielt positionieren oder versehentlich irgendwo „herumliegen“ lassen.
Für unser vorangegangenes Beispiel sollten wir dies folgendermaßen berücksichtigen:
Hätten wir in unserem oben erdachten Beispiel ausschließlich an unserem Ausgangspunkt für den nächsten Durchlauf gefüttert, hätte unser Hund vermutlich im Laufe des Trainings auch ungefragt wieder diese Stelle aufgesucht. Er wäre z. B. schon vor dem Click wieder aufgestanden und zum Ausgangspunkt gelaufen oder würde womöglich das Hinlegen ganz überspringen wollen und auf der Decke direkt kehrtmachen, um schnell wieder zu der magnetischen Stelle zu kommen, an der er sein Futter erhält. Die Lösung, hier gegenzusteuern und zurück zum erwünschten Verhalten zu kommen, ist logisch nachvollziehbar, wenn wir an unseren „Magneten“ denken. Wir legen den Magneten auf die Decke, das heißt, wir füttern an der Stelle und in der Position, an der wir unseren Hund gerne haben möchten: Auf der Decke im Platz. Wenn wir also die Dauer des Liegenbleibens auf der Decke erhöhen wollen, sind wir gut beraten, unseren Hund auf der Decke im Liegen zu belohnen.
„Logisch“ heißt leider nicht, dass wir automatisch so handeln. Es ist nötig, dass wir uns diese Wirkmechanismen für die einzelnen Situationen immer wieder vor Augen führen und die Ausrichtung/Nützlichkeit der Magnete hinterfragen und flexibel anpassen. Wem ist es noch nicht passiert, vielleicht beim Aufbau des Verhaltens oder weil versehentlich Futter auf den Boden fiel, dass z. B. ein Sitz abgefragt wird, der Futterpunkt jedoch mehrfach so lag, dass der Hund sich der Futterhand entgegengestreckt hat oder aufstehen musste, um an das Leckerchen zu kommen? Und dann wundern wir uns, dass der Hund ungefragt aufsteht, wo er doch „weiß“, dass er sitzen soll? Weiß er das wirklich, wenn unser Futterpunkt ihm doch das Aufstehen „erklärt“ hat? Je mehr wir über diese vermeintlichen Kleinigkeiten wissen, desto besser können wir Verantwortung übernehmen für das Miteinander mit unserem Tier und ihm klar kommunizieren, was wir von ihm möchten.
Es heißt übrigens nicht entweder A oder B, wir können je nach Bedarf natürlich auch „und“ wählen. Schließlich hält uns niemand davon ab, zwei Futterpunkte oder mehr zu nutzen, auf der Decke und in der Startposition. Gleichzeitig gilt es, im Auge zu behalten, dass wir uns nicht mit zu vielen Punkten verzetteln. Wir wollen schließlich klar in unserer Kommunikation bleiben, damit der Hund möglichst eindeutig versteht, welches Verhalten sich gerade lohnt. Und damit kommen wir an den Punkt, warum es nicht unbedingt „einfach“ ist, nur weil es „logisch“ ist. Denn es gibt noch einen weiteren Aspekt des Futterpunktes, den es im Auge zu behalten gilt, um ihn mit in unsere Entscheidungsfindung einfließen zu lassen.
C: Futterpunkt verändern als Response Cost
Foto: Anja Kallendruschat
Response Cost beschreibt die „Kosten der Verhaltensantwort“, es bedeutet, dass ein weniger gutes Verhalten des Tieres einen wertmindernden Effekt auf den Verstärker hat, den ich ihm biete. Wenn die gute Ausführung eines Signals mir normalerweise drei Futterstückchen wert ist, könnte ich also für eine unsaubere oder ungenaue Ausführung ein einzelnes Stückchen geben.
Wichtig ist, dass es diesen Referenzwert geben muss, dem Hund also klar ist: „Normalerweise“ bekommt er diesen bestimmten Wert für diese bestimmte Leistung. Dann können wir gezielt damit arbeiten, dass wir für weniger, ungenaue oder verzögerte Leistung auch weniger „bezahlen“.
Viele kennen dies vermutlich mit Blick auf die Qualität oder die Menge des Verstärkers aus der differenzierten Verstärkung. Gibt es Leberwurst oder Trockenfutter? Eine Handvoll oder ein Stückchen?
Sehr viel weniger Menschen berücksichtigen, dass dieser Effekt auch bei der Wahl des Futterpunktes eine Rolle spielen kann. Der Verstärker wird in diesem Fall dadurch abgeschwächt, dass der Futterpunkt weniger attraktiv gewählt wird. Das klingt aus gutem Grund recht schwammig: Es ist sehr individuell, was einen Verstärker abwertet oder womöglich sogar aufwertet. Überspitzt formuliert heißt das:
Wenn ich mein Futterstück mit Schwung meterweit über den Boden kullern lasse, ist das für den 1-jährigen Border-Collie-Junghund durch die zusätzliche Freude am Rennen wahrscheinlich viel wertvoller und verstärkender, als ihm das Essen direkt ins Maul zu geben. Wenn ich genau das Gleiche für einen 13-jährigen, arthritischen Senior mit eingeschränkter Sicht tue, überlegt dieser sich womöglich, ob er das Essen überhaupt einsammeln gehen soll. In beiden Fällen hat der Ort der Verstärkung Einfluss auf dessen Wertigkeit, nur eben sehr individuell nach Veranlagung und Vorlieben des Hundes. Für den Senior bedeuten vier Schritte bis zum Futter gehen zu müssen, anstatt es direkt vor die Nase zu bekommen, vielleicht den gleichen Unterschied wie ein trockenes Futterstücken im Vergleich zu fünf Lieblingsleckerli.
So kann man also dem Hund den Unterschied zwischen sehr guten und nicht ganz so gelungenen Ausführungen eines Verhaltens auch dadurch klar machen, dass das (von der Qualität her gleiche) Leckerli systematisch entweder weiter weg oder direkt ins Hundemaul übergeben wird.
Fazit
Futterpunkte können und dürfen sich im Training immer wieder verändern! Denn Training ist wie ein Dialog mit dem Hund, bei dem der Trainierende Fragen stellt und der Hund Verhaltens-Antworten gibt. Da in diesem Dialog über den Belohnungsort eine wichtige Information transportiert wird, ist dessen sinnvolle und kluge Wahl ein feines und gleichzeitig effizientes Hilfsmittel bei der Planung und Ausführung des Trainings. Hilfreich eingesetzt kann er das Lernen des gewünschten Trainingszieles für den Hund erheblich klarer und leichter machen.
