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Trennungsangst: Neue Perspektiven in der Bewältigung

erschienen am 30. Oktober 2023
Foto: Simone Fasel und Nadine Hehli
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Trennungsangst bei Hunden ist ein relativ häufiges Verhaltensproblem, das viele Hunde und deren Halter:innen betrifft. Simone Fasel und Nadine Hehli haben eine Tierschutzhündin mit heftiger Trennungsangst adoptiert. Sie mussten sich mit dem Thema intensiv auseinandersetzen. Warum sie sich entschieden haben, neue Wege zur Bewältigung von Trennungsangst zu gehen und wie diese aussehen, berichten sie hier.

Einzug Frida

Wir hatten die Jagdhundemischlings-Hündin Frida von einer Tierschutzorganisation übernommen – sie kam mit einer langen Liste von Problemverhalten zu uns. Wovon wir allerdings nichts wussten, war ihre heftige Trennungsangst. Selbst bei kürzesten Abwesenheiten („ich geh mal schnell zum Briefkasten“) geriet Frida in Panik. Sie urinierte unter sich, heulte und probierte, sich einen Weg durch die Türe hindurch zu kratzen – ganz unabhängig davon, ob andere Menschen oder unsere anderen Hunde noch mit Zuhause waren. 

So wie wir dies mit Frida erlebten, ergeht es einer beachtlichen Anzahl an Hundefreund:innen. Studien lassen darauf schließen, dass zwischen 14-20 % aller Hunde an (unterschiedlich ausgeprägter) Trennungsangst leiden (die größte Studie fand an einer Population von 13.700 finnischen Haushunden statt). Wer selber je einen Hund erlebt hat mit Trennungsangst, weiß, wie herzzerreißend es ist, den eigenen Hund in einem solchen Gemütszustand zu sehen. Im Rahmen einer (nicht-repräsentativen) Umfrage, die wir online durchführten und an der sich über 300 Hundehalter:innen beteiligt hatten, wurde auch deutlich, dass Trennungsangst die Lebensqualität von Mensch und Hund massiv einschränken kann. Hundehalter:innen, die seit Monaten (und Jahren!) nicht mehr spontan weggehen können, Nachbarschaftsstreitigkeiten, zerstörte Wohnungseinrichtungen … 

Googelt man nach den besten Vorgehen bei Trennungsangst, liest Artikel, schaut sich Videos auf YouTube an und so weiter, sind die Tipps größtenteils recht einheitlich: Man beginnt am besten schon beim Welpen damit, ihn ohne Abschiedsszenen alleine in einem Raum zu lassen, um dann nach einigen wenigen Minuten ohne viel Aufsehen wieder zu ihm zurückzukehren. Als zusätzlicher Hinweis findet sich oft, dass dem Hund ein sicherer Rückzugsort bekannt sein sollte. Selbst viele Programme für Hunde, die bereits unter starker Trennungsangst leiden, basieren größtenteils auf diesem Vorgehen. 

Dabei kommt die Fähigkeit zum entspannten Alleinebleiben nicht einfach durch ein immer etwas längeres Alleinelassen, wie die enorme Anzahl betroffener Mensch-Hund-Gespanne zeigt. 

Kann man Trennungsangst vorbeugen?

Nach wie vor ist nicht wirklich geklärt, wie Trennungsangst entsteht. Jedoch gibt es einige Hinweise darauf, was eine gewisse „Schutzwirkung“ haben dürfte. 

So ist die Studienlage sehr klar betreffend körperlicher Bewegung. Diese ist äußerst wichtig, auch für das mentale Wohlbefinden. Und es zeigt sich dabei auch ein direkter Zusammenhang dahingehend, dass Hunde, die weniger spazieren geführt werden, eher zu Symptomen neigen, die als Trennungsangst beschrieben werden. 

Was momentan noch anekdotisch ist, sich für uns aber in unserer Umfrage als sehr interessant herausgestellt hat, ist, dass überproportional viele Hunde, die unter Trennungsangst leiden, auch eine Problematik mit dem Verdauungsapparat aufweisen. Stress wirkt sich nicht nur auf die Verdauung aus – auch andersherum geschieht eine Beeinflussung. So wirkt sich wiederum die Darmgesundheit über die Darm-Hirn-Achse auf die psychische Gesundheit eines Lebewesens aus. Es kann sich deshalb nur lohnen, neben der Zusammenarbeit mit einem/einer Trainer:in auch die Fachberatung eines Ernährungsspezialisten/einer -spezialistin einzuholen. 

Zwei Mythen zum Thema Trennungsangst

Trennungsangst ist das Verhaltensproblem, welches in den letzten Jahren am häufigsten in wissenschaftlichen Studien beleuchtet wurde. Und ja, trotz der Anzahl an Studien bleiben leider so einige Fragen offen, aber vor allem sind viele spannende und wichtige Erkenntnisse nach wie vor nicht breiter bekannt und werden entsprechend nicht umgesetzt.

Mythos Nr. 1: Ist eine ruhige Verabschiedung und Begrüßung nötig?

Ein Tipp, den sicher fast alle schon erhalten haben, ist, dass man beim Verlassen des Hundes keine großen Abschiedsszenen veranstalten soll und auch beim Heimkommen den Hund nur ganz ruhig begrüßen oder vielleicht sogar gänzlich ignorieren soll. 

Interessanterweise zeigte sich jedoch in einer im Jahr 2021 durchgeführten Studie, in der eine Gruppe von Hunden immer sehr überschwänglich verabschiedet und begrüßt wurde und eine andere sehr ruhige Verabschiedungen und Begrüßungen erlebt hatte, kein Unterschied bezüglich Entwicklung von Trennungsangst zwischen den Gruppen.

Auch bei einer Befragung von Hundehalter:innen mit Hunden, die bereits Trennungsangst hatten, wurde festgestellt, dass diese Hunde nicht aufgeregter verabschiedet und begrüßt worden waren. Es zeigte sich sogar ein leichter Zusammenhang in unerwarteter Richtung: Hunde, die sehr ruhig verabschiedet worden waren, hatten (mit leichter Tendenz) eher Trennungsangst. 

Wer dies nun interpretiert als „Lizenz zur freudigen Begrüßung“ beim Nachhausekommen liegt also grundsätzlich richtig. 

Zudem konnte gezeigt werden, dass Hunde, die vor der Abwesenheit des Menschen gestreichelt werden (ca. 5 Minuten waren in der Studie bereits ausreichend), das Alleinsein wesentlich gelassener ertragen.

Mythos Nr. 2: Soll man so tun als ob?

Hunden mit Trennungsangst soll oftmals geholfen werden, ihre Ängste zu überwinden, indem die Besitzer:innen angewiesen werden, möglichst mehrfach täglich, z. B. in die Garderobe zu gehen, die Jacke anzuziehen und dann doch nicht rauszugehen, oder den Schlüsselbund in die Hand zu nehmen, damit zu klimpern und dann wieder Arbeiten im Haushalt nachzugehen. 

Die lobenswerte Idee dahinter ist, die negative Erwartungshaltung des Hundes aufzubrechen und so zu verhindern, dass Ängste auftreten. 

Was aber leider tatsächlich geschieht, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2014 auf. Je unvorhersehbarer die Abwesenheiten des Menschen für den Hund sind, desto grösser (nicht kleiner!) werden seine Ängste. Es ist deshalb unbedingt wichtig, dass der Hund eine Möglichkeit hat, zu erkennen, wann sein Mensch wirklich das Haus verlassen wird. 

Was tun, wenn der Hund schon Trennungsangst hat?

Zurück zu unserer Situation mit Frida: Wir waren voller Bewunderung für alle Hundehalter:innen, die sich oft intensiven Trainingsprogrammen gewidmet hatten, die über viele Monate dauerten und der Hund danach oft auch erst einige wenige Minuten alleine bleiben konnte. Dies alles motivierte uns, neue Wege zu gehen. 

Wer sich traditionelle Programme zur Reduktion von Trennungsangst ansieht, wird feststellen, dass fast ausschließlich das Zurückkommen des Menschen als Verstärker eingesetzt wird. 

Das ist ein bisschen so, als würde man probieren, einem Hund beizubringen, entspannt liegen zu bleiben, indem man als Belohnung ausschließlich ein wildes Zerrspiel einsetzt.

Das ist prinzipiell technisch nicht ausgeschlossen, jedoch definitiv sehr schwierig in der Umsetzung, um effizient ans Ziel zu gelangen. 

Zudem wurde bei bisherigen Programmen fast ausschließlich ein pathologischer Ansatz gewählt (damit ist gemeint, dass der Fokus des Trainings auf der Reduktion des „Problemverhaltens“ liegt).

Stattdessen bringt es ganz wesentliche Vorteile, den konstruktiven Weg zu gehen. Dabei liegt der Fokus darauf, welches erwünschte Verhalten aufgebaut werden sollte. 

Anstatt also zu probieren, den Hund nur eine ganz kleine „Dosis Trennungsangst“ aushalten zu lassen und zurückzukommen, bevor seine Angst stärker wird, hatten wir uns dafür entschieden, mit Frida zu trainieren, dass sie sich selbstständig auf einem bequemen Hundebettchen entspannen kann, und dann diese Entspannung immer weiter auszubauen. 

Die Tierschutzhündin Frida wird zur Namensgeberin

Dank Frida haben wir unser aktuelles Programm für Hunde mit Trennungsangst entwickelt und haben nun bereits über 200 Teams im deutschsprachigen Bereich begleitet als auch viele internationale Kontakte geschlossen. Trennungsangst kann zu einem enormen Leidensdruck führen, der kaum mehr auszuhalten scheint. Nicht selten erhalten Hunde deswegen Psychopharmaka, werden umplatziert oder sogar eingeschläfert. 

Dass unsere kleine Frida, die niemand so richtig wollte wegen ihren vielen Verhaltensproblemen, nun zu einer Hoffnungsträgerin für viele Mensch-Hund-Teams geworden ist, macht uns schon ein ganz kleines bisschen stolz. So war natürlich auch klar, dass sie zur Namensgeberin für die entwickelte Trainingsmethode werden sollte – das F.R.I.D.A.-Programm steht für „Funktionales Ruhetraining mit integrativem Ansatz zur dauerhaften Angstreduktion“. 

Aufbau von neuen Verstärkern

Für viele Hunde mit Trennungsangst ist ihr Mensch zu einer Art Obsession geworden. Es ist deshalb absolut essentiell, den Hunden zu vermitteln, dass es richtig toll wird, wenn der Mensch weggeht. Natürlich bleibt der Mensch weiterhin wichtig, aber der Hund wird lernen, dass er auch viele schöne Momente erleben kann, wenn sein Mensch außer Haus ist. 

Beim F.R.I.D.A.-Programm achten wir deshalb darauf, nicht nur Entspannung aufzubauen, sondern diese auch mit vielen Leckerchen zu verknüpfen, während der Mensch immer mehr ausgeschlichen wird. 

In unserer Umfrage und in der Arbeit mit den Teams mit Hunden mit Trennungsangst haben wir oftmals erlebt, dass probiert wurde, Futterspielzeug für die Hunde zu nutzen, wenn sie alleine bleiben sollten. Dies ist eine ausgezeichnete Idee und bringt für viele Hunde schon eine deutliche Besserung. 

Der Teufel liegt jedoch wie üblich im Detail. Tatsächlich hatten nämlich sehr viele erlebt, dass bereits nach wenigen Anwendungen schon der bloße Anblick der Futterspielzeuge bei den Hunden dafür sorgte, dass ihnen die Laune verging, weil sie ahnten, dass der Mensch gleich weggehen würde, und sie rührten die Futterspielzeuge in der Abwesenheit nicht mehr an. 

Dabei kann man am ehesten davon ausgehen, dass eine ungewollte Konditionierung geschehen war („Pawlow sitzt immer auf unserer Schulter“ – wie der Urvater des Tiertrainings Bob Bailey so treffend sagt). Der Hund hatte gelernt, dass die Futterspielzeuge ankünden, dass er nun bald alleine gelassen würde. Die Futterspielzeuge hatten sich deshalb also mit angstvollen Gefühlen verknüpft. 

Es ist deshalb unbedingt wichtig, zuerst an der Entspannung zu trainieren und erst in einem nächsten Schritt die Futterspielzeuge in das Programm zu integrieren. Wir achten dabei auch darauf, dass der Hund diese hauptsächlich findet, NACHDEM der Mensch weggegangen ist. 

So geschieht nämlich eine Verknüpfung in unserem Sinne. Der Hund beginnt beim Weggehen des Menschen eine freudige Vorahnung zu entwickeln, dass er vielleicht demnächst einen Schatzfund in der Wohnung machen wird. 

Entspanntes Alleinebleiben ist möglich

Selbst Hunde, die jahrelang unter Trennungsangst gelitten haben und bei denen vielleicht verschiedene Maßnahmen bereits nicht zum Erfolg geführt hatten, sollten niemals aufgegeben werden. Mit den richtigen Zwischenschritten sind in erstaunlich kurzer Zeit ganz wesentliche Verbesserungen möglich. 

Und wie ist es mit Frida? Sie ist mittlerweile zu einem richtigen Alleinebleiben-Profi geworden, die wir auf der Überwachungskamera entspannt auf dem Rücken schlafen sehen, während dem wir ohne schlechtes Gewissen unterwegs sein können.

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Simone Fasel und Nadine Hehli
Foto: Simone Fasel und Nadine Hehli

Zu den Personen

Nadine Hehli hat Geographie und Biologie studiert und reiste durch ganz Europa und nach Kanada, um sich an verschiedenen Workshops und Konferenzen weiterzubilden und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im Tiertraining kontinuierlich zu verbessern. 

Simone Fasel studierte Psychologie und Pädagogik an der Universität Freiburg. Vor etwa 25 Jahren hörte sie zum ersten Mal von belohnungsbasiertem Training und die Faszination dafür hat sie nie verlassen. Ihr besonderes Interesse gilt der Verhaltensmodifikation und der Kognition von Hunden.

Kontakt

www.lebenmithunden.eu


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Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V.
Alt Langenhain 22
65719 Hofheim

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